„Breite deine Arme aus, drehe dich im Kreis, dann bist du im Märchenland, such dir einen Platz ganz leis.“ – mit diesem aktivierenden Zauberspruch öffnet sich an der LVR-Paul-Klee-Schule in Langenfeld seit einigen Monaten das Tor in eine Welt voller Selbstvertrauen und Zuversicht. Wie an drei weiteren Förderschulen hat auch hier ein multiprofessionelles Projektteam das freie Märchenerzählen für sich entdeckt.
„Märchen machen mutig“ – darin sind sich die von der BKK Pfalz, der Mobil Krankenkasse und der Pronova BKK unterstützten Schulen einig. Das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Das Projekt zur Stärkung der psychosozialen Gesundheit und Resilienz wurde an jeder Schule individuell in den Alltag integriert: Ob „Märchen-AG“, das „Märchen des Monats“, die Ausbildung von Schüler-Märchenerzähler:innen oder als Teil der Schwerstbehindertenförderung – die märchenhaften Erzählungen sind gekommen, um zu bleiben.
Die dreiteilige Märchenintervention – bestehend aus exemplarischer Märchenstunde, dreitägiger Schulung und abschließendem Begleittag – weckte den Wunsch nach mehr. Alle beteiligten Schulen wünschten sich eine Vertiefungsschulung. Impulse zu interkulturellen Märchen, dem Aufbrechen von Rollenstereotypen oder jahreszeitlichen Geschichten werden nun in Kooperation mit dem Erzähltheater Osnabrück ergänzt.
Ein Mini-Ausflug ins Märchenland ist ganz einfach: Fantasie, Begeisterungsfähigkeit und kindliche Neugier genügen – ein dickes Märchenbuch braucht es nicht. Sehen Sie selbst …
Das sagen die Teilnehmenden:
Magie entsteht, wenn sich Herz und Geschichte verbinden – Märchenerzählerin Sonja Fischer im Gespräch
Liebe Sonja, Du bist als Märchenerzählerin seit vielen Jahren in unzähligen Kontexten unterwegs. Was macht die „Märchen machen mutig“-Projekte im Setting Förderschule so besonders?
Seit fast 27 Jahren erzähle ich in unterschiedlichsten Kontexten Märchen – und gerade in Förderschulen erlebe ich, wie die Geschichten alle Kinder dort abholen, wo sie stehen. Kinder mit besonderem Förderbedarf sind emotional sehr offen und feinfühlig. So erreichen die alten Botschaften der Märchen sie unmittelbar.
Auch Lehrkräfte, Pädagog:innenen und Therapeut:innen merken schnell, dass Märchen, die seit Jahrhunderten weltweit erzählt werden, nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Daher lassen sich die multiprofessionellen Teams mit Neugier und Begeisterung darauf ein, das freie Märchenerzählen für den Einsatz im Unterricht zu erlernen. Mein „Schatzkästchen“ in den Schulungen zu öffnen und dabei auf den individuellen Bedarf der Gruppe einzugehen, bereitet mir große Freude.
Die Altersspanne der Schülerinnen und Schüler reicht ja von der Grundschule bis in die 8./9. Klasse. Wenn Du an die Stärkung der psychosozialen Gesundheit denkst: Warum und wie genau profitieren sowohl die jüngeren als auch die älteren Kids (mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen) vom Märchenerzählen?
Märchen müssen nicht verstandesmäßig erfasst werden – sie erreichen die Seele durch Zuwendung. Beim freien Erzählen kann ich individuell auf jedes Kind eingehen. Aus der Vielfalt der Märchenfiguren lässt sich immer etwas für das eigene Leben mitnehmen. Das fördert Entwicklung, Heilung und psychisches Wohlbefinden.
Für die Jüngeren wähle ich einfache Handlungen mit hohem Mitmachanteil und Themen, die leicht verständlich sind. Für die Älteren suche ich Geschichten aus, die ihre Entwicklung vom Kind zum
Jugendlichen spiegeln und aktuelle Lebensthemen aufgreifen. So gelingt es, alle Altersgruppen zu erreichen.
Ich selbst habe vor Ort erlebt, welch außergewöhnliche Stimmung während der Schulung und beim Begleittag in den Projektteams herrscht. Da sind so viel Wertschätzung, Offenheit und Emotionen spürbar. Wie kommt es zu dieser „Magie“ und wie nutzt Du die Dynamik für Deine Arbeit?
Märchen tragen diese Magie in sich. Beim Erzählen nutze ich die „magische Dynamik“ und verbinde diese mit Offenheit, Ehrlichkeit und Wertschätzung – das spüren die Teilnehmenden. So entstehen ein authentisches Miteinander und viel Raum zum Experimentieren.
Jedes Märchen beschreibt eine Heldenreise: Große Veränderungen, Angst oder Hoffnungslosigkeit werden durch eine wundersame Begegnung überwunden – sei es mit einer Hexe, einem Zauberer oder einem kleinen grauen Männchen. Diese Figuren fordern die Heldin oder den Helden heraus, schenken Vertrauen in die eigene Kraft und führen mit Mut und Klugheit zum Ziel. Wer das miterlebt, geht alters- und entwicklungsunabhängig gestärkt und widerstandsfähiger daraus hervor.
Wenn Du an die bereits abgeschlossenen „Märchen machen mutig“-Projekte in 2024 und 2025 zurückdenkst: Gab es ein besonderes Highlight, das Du zum Abschluss mit uns teilen magst?
Es gab viele Highlights, aber eines berührte mich besonders: Ich erzählte den Froschkönig in einer Klasse mit einem gehörlosen Jungen. Er hatte das Märchen zwei Monate zuvor pantomimisch gespielt und war zunächst wütend, weil er meinte, „sein Froschkönig“ sollte kein zweites Mal erzählt werden. Obwohl ich die Gebärdensprache nicht beherrschte, lud ich ihn ein, gemeinsam mit mir vorne zu stehen und mich erzählerisch zu begleiten. Am Ende bekam er einen tosenden Applaus von seiner Klasse und ich eine herzliche Umarmung von ihm.
Auch alle Teilnehmenden, die zum Abschluss der dreitägigen Schulung selbst frei erzählten, schufen für mich wahre, bewegende Höhepunkte.
Sowohl unseren engagierten Projektschulen als auch der leidenschaftlichen Erzählerin Sonja Fischer gilt unser herzlicher Dank für diese inspirierenden, wahrhaft magischen Projekteinblicke!
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