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Neurodiversität am Arbeitsplatz: Der Wert eines vielfältigen Teams

Diversität am Arbeitsplatz
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Neuro­di­ver­si­tät am Arbeits­platz: Der Wert eines vielfäl­ti­gen Teams

Diver­si­tät im Team ist eine Stärke, denn ein vielfäl­ti­ges Team bringt immer auch vielfäl­tige Perspek­ti­ven, Heran­ge­hens­wei­sen, Ideen und Stärken mit sich. Neben vielen demogra­fi­schen und identi­täts­stif­ten­den Merkmalen fällt ein Aspekt bei der Diskus­sion um Diver­si­tät häufig hinten über – nämlich das Thema Neuro­di­ver­si­tät, obwohl es etwa 15–20 % der Bevöl­ke­rung betrifft und somit in etwa jeder fünfte Mensch neuro­di­ver­gent ist.

Es ist an der Zeit, dass mehr darüber gespro­chen wird, welche Relevanz und welchen Mehrwert Neuro­di­ver­si­tät am Arbeits­platz mit sich bringt. Darüber hinaus sollten Unter­neh­men dafür sensi­bi­li­siert sein, welche Anpas­sun­gen es braucht, damit neuro­di­ver­gente Menschen ihr Potenzial im Arbeits­kon­text bestmög­lich entfalten und einbrin­gen können.

Was bedeutet Neuro­di­ver­si­tät eigent­lich?

Neuro­di­ver­si­tät steht für die Vielfalt der mensch­li­chen Neuro­lo­gie.1 Ein Großteil, etwa 80–85 % der Menschen, ist neuro­ty­pisch. Das bedeutet, diese Menschen verar­bei­ten Reize auf eine ähnliche Art. Die übrigen 15–20 % gelten als neuro­di­ver­gent. Sie verar­bei­ten Infor­ma­tio­nen sowie senso­ri­sche Reize anders, ihre Gehirn­funk­tion weicht im Rahmen einer Bandbreite indivi­du­el­ler Unter­schiede von den 80–85 % ab.2

Neuro­di­ver­si­tät ist von außen häufig nicht sichtbar und besteht unabhän­gig von anderen demogra­fi­schen Merkmalen. Die Bandbreite der Neuro­di­ver­si­tät ist in sich vielfäl­tig und kann ganz unter­schied­li­che Ausprä­gun­gen haben. Die bekann­tes­ten Abwei­chun­gen sind die Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), die Autismus-Spektrum-Störung, Dyslexie, Hochbe­ga­bung sowie das Tourette-Syndrom (TS).

In welchen Bereichen zeigt sich Neuro­di­ver­si­tät?

  • Unter­schiede in der Wahrneh­mung (Inten­si­tät von Sinnes­ein­drü­cken, Filtern und Verar­bei­ten von Reizen sowie Inter­pre­ta­tion der Relevanz)
  • Unter­schiede in der Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung
  • Unter­schiede in der sozialen Inter­ak­tion
  • Unter­schiede im emotio­na­len Erleben
  • Unter­schiede im Lernstil
  • Unter­schiede in der Kreati­vi­tät und Problem­lö­sung
  • Unter­schiede im neuro­che­mi­schen Stoff­wech­sel (Beispiels­weise ein schnel­le­rer Abbau von Dopamin bei AD(H)S)

Die Liste ist lang und hiermit ganz sicher nicht vollstän­dig abgedeckt. Jeder Mensch ist einzig­ar­tig und jede neuro­di­ver­gente Person bringt ihre eigenen Fähig­kei­ten, Denkwei­sen, Wahrneh­mun­gen und Heran­ge­hens­wei­sen mit.

Welche Heraus­for­de­run­gen und Stärken bringen neuro­di­ver­gente Mitar­bei­tende ins Team?

Neuro­di­ver­gente Menschen stehen im Arbeits­kon­text vor Heraus­for­de­run­gen, denen neuro­ty­pi­sche Menschen nicht gegen­über­ste­hen. Das liegt in der Regel nicht an fehlenden Quali­fi­ka­tio­nen oder mangeln­der Arbeits­be­reit­schaft, sondern viel mehr daran, dass Struk­tu­ren und Systeme nicht auf Neuro­di­ver­si­tät ausge­rich­tet sind, sondern von einer neuro­ty­pi­schen Norm ausgehen.

Daraus ergeben sich unter anderem folgende Schwie­rig­kei­ten:

  • Probleme bei der Bewäl­ti­gung hoher Arbeits­last
  • Schwie­rig­kei­ten in der Kommu­ni­ka­tion
  • Flüch­tig­keits­feh­ler und Konzen­tra­ti­ons­pro­bleme
  • Probleme mit Organi­sa­tion und Zeitma­nage­ment
  • Erschwer­ter Umgang mit inten­si­ven Emotionen

Über diese Heraus­for­de­run­gen hinaus haben viele neuro­di­ver­gente Menschen auch mit Stigma­ti­sie­rung und Vorur­tei­len zu kämpfen, wenn es an Aufklä­rung und Sensi­bi­li­sie­rung fehlt.

Neuro­di­ver­gente Menschen verfügen jedoch auch über indivi­du­elle Stärken, die sie unter den richtigen Bedin­gun­gen am Arbeits­platz einbrin­gen und ein Team somit großartig ergänzen können:

  • Einzig­ar­tige Wahrneh­mung
  • Kreative Denk- und Heran­ge­hens­wei­sen
  • Beson­de­res Exper­ten­wis­sen und spezi­fi­sche Talente
  • Hyper­fo­kus mit hohem Engage­ment und Leiden­schaft für eine Tätigkeit
  • Innova­ti­ves Denken
  • Detail­rei­che Wahrneh­mung

Wie kann ein neuro­in­k­lu­si­ver Arbeits­platz aussehen?

Die meisten Unter­neh­mens­struk­tu­ren und ‑prozesse sind auf neuro­ty­pi­sche Menschen ausge­rich­tet. Das führt dazu, dass die Heraus­for­de­run­gen für neuro­di­ver­gente Mitar­bei­tende erhöht und ihre Stärken einge­dämmt sind. Es braucht neuro­in­k­lu­sive Arbeits­plätze, damit alle Beschäf­tig­ten ihr Potenzial entfalten können und gleich­zei­tig körper­lich sowie psychisch gesund bleiben.

Dr. Nancy Doyle, Organi­sa­ti­ons­psy­cho­lo­gin und Gründerin von „Genius Within“, ein Unter­neh­men, das die Inklusion neuro­di­ver­gen­ter Menschen am Arbeits­platz fokus­siert, ist auf dieses Thema spezia­li­siert.3 In ihrem Guide „Evalua­ting and support­ing Neuro­dif­fe­ren­ces* at work“, gibt sie Ausblicke, wie ein neuro­in­k­lu­si­ver Arbeits­platz aussehen kann, sodass neuro­di­ver­gente Menschen ihr Potenzial bestmög­lich entfalten können.4

Für Dr. Nancy Doyle ist zunächst die Sensi­bi­li­tät für die Präsenz von Neuro­di­ver­si­tät im Job relevant. Schwan­kun­gen in der Perfor­mance und Leistungs­fä­hig­keit, die Arbeitgeber:innen oder Perso­nal­ver­ant­wort­li­che mögli­cher­weise als Motiva­ti­ons­lo­sig­keit oder Unzuver­läs­sig­keit wahrneh­men, können Teile der neuro­di­ver­gen­ten Arbeits­weise sein. Es ist nicht Aufgabe des Unter­neh­mens, eine Diagnose zu stellen und es braucht diese auch nicht zwingend, um auf Mitar­bei­tende mit neuro­di­ver­gen­ten Tendenzen eingehen zu können. Arbeitgeber:innen und Führungs­kräfte sollten jedoch ein Bewusst­sein für das Thema entwi­ckeln, um die richtige Unter­stüt­zung zur Verfügung stellen zu können.

In einer Arbeits­um­ge­bung, die die Bedürf­nisse und Heraus­for­de­run­gen neuro­di­ver­gen­ter Menschen berück­sich­tigt, können diese ihr Potenzial und ihre Stärken bestmög­lich entfalten. Als mögliche Anpas­sun­gen dahin­ge­hend nennt Dr. Nancy Doyle:

  • Unter­stüt­zende Techno­lo­gien wie ein zweiter Monitor oder Sprach- und Textsoft­ware
  • Flexible Arbeits­zei­ten und die Option, remote zu arbeiten, um Reizüber­flu­tung zu vermeiden
  • Entspre­chende Arbeits­platz­ge­stal­tung wie ein ruhiger, abgeschirm­ter Ort für Fokus­zei­ten
  • Coachings und profes­sio­nelle Unter­stüt­zung, um Strate­gien für den Umgang mit den eigenen Heraus­for­de­run­gen zu erlernen5

Weitere Empfeh­lun­gen finden sich in dem Bericht „Designing a Neuro­di­verse Workplace“ des Architektur- und Design­un­ter­neh­mens HOK.6 Dort werden Design ‑Strate­gien, opera­tio­nale Verän­de­run­gen und indivi­du­elle Anpas­sun­gen beschrie­ben.

Unter die Design-Strategien fallen unter anderem:

  • Vielfäl­tige Raumge­stal­tun­gen: Meeting-Räume sowie private Fokus­räume
  • Bewegungs­räume
  • Bürolo­ka­li­sie­rung in ruhiger Außen­um­ge­bung
  • Raumtren­ner
  • Ruhige Farbge­stal­tung zur Reizre­du­zie­rung sowie bestimmte Bereiche mit stimu­lie­ren­der Farbge­stal­tung
  • Vermei­dung chaoti­scher und hochsti­mu­lie­ren­der Muster
  • Klare Ordnung und Struk­tu­rie­rung der Räume
  • „Nourish­ment Stations“, die eine gesunde Ernährung und Hydration erleich­tern
  • Natür­li­che Elemente, die beruhi­gend wirken können
  • Vermei­dung flacken­der Lichter
  • Zugang zu Tages­licht

Opera­tio­nale Verän­de­run­gen können sein:

  • Awareness-Training für alle Mitar­bei­ten­den
  • Flexible Arbeits­kul­tur (Arbeits­platz und ‑zeiten)
  • Bereit­stel­lung von Noise-Canceling Kopfhö­rern
  • Imple­men­tie­rung von Fokus­zei­ten mit Pausen
  • Hilfs­mit­tel wie Stress­bälle zur Verfügung stellen

Auf indivi­du­el­ler Ebene können folgende Anpas­sun­gen hilfreich sein:

  • Visuelle To-Do-Listen nutzen
  • Visuelle Zeitpläne nutzen, um leichter zu priori­sie­ren
  • Benach­rich­ti­gun­gen ausschal­ten und Zeiten einplanen, um Nachrich­ten und E‑Mails zu lesen
  • Während eines Meetings Notizen machen oder eine Audio­auf­nahme erstellen
  • Smartphone-Erinnerungen für Telefo­nate und Meetings nutzen
  • Multi­tas­king vermeiden7

Die genannten Empfeh­lun­gen können erste Anhalts­punkte bieten, es gibt jedoch keine „One fits all“-Lösung, da es sich bei Neuro­di­ver­si­tät um ein vielfäl­ti­ges, facet­ten­rei­ches Spektrum handelt. Der offene Dialog mit den Mitar­bei­ten­den ist essen­zi­ell, um ihre indivi­du­el­len Bedürf­nisse zu verstehen und bestmög­lich darauf eingehen zu können.

Von einem neuro­in­k­lu­si­ven Arbeits­platz profi­tie­ren alle Parteien: Die Mitar­bei­ten­den erleben ein Gefühl von Wertschät­zung und Selbst­wirk­sam­keit, da sie ihr Potenzial besser einsetzen und ihre Stärken gefördert und in den Fokus gerückt werden. Das wirkt sich auf die Unter­neh­mens­kul­tur aus: Ein zufrie­de­ne­res Team arbeitet besser, produk­ti­ver und in einer angeneh­me­ren Atmosphäre zusammen. Für das Unter­neh­men selbst bedeutet dies einen Anstieg der Attrak­ti­vi­tät als Arbeit­ge­ben­der. Eine erhöhte Mitar­bei­ter­bin­dung führt zu weniger Fluktua­tion und gerin­ge­ren Perso­nal­kos­ten. Eine gestei­gerte Leistungs­fä­hig­keit der einzelnen Mitar­bei­ten­den bedeutet weniger Fehlzei­ten und mehr Effizienz, sodass ein ganzheit­lich erhöhter Unter­neh­mens­er­folg erzielt werden kann.

In unserer „Mental Health Week 2024” widmen wir dem Thema „Ein Team, viele Perspek­ti­ven – Die Dynamik von Diver­si­tät im Team“ einen eigenen Vortrag. Sichern Sie sich und Ihren Beschäf­tig­ten jetzt Ihren Platz und erfahren Sie mehr darüber, wie ein wertschät­zen­der Umgang mit Diver­si­tät im Team aussehen kann.

¹ Steuer, Jana: Neuro­di­ver­si­tät in unserer Arbeits­welt – Diver­si­con

² Neuro­di­ver­si­tät am Arbeits­platz (ecophon.com)

₃ Pandit, Isha (2024): Wie man neuro­di­verse Mitar­bei­tende am Arbeits­platz integriert  » Great Place to Work®

₄ SOM (2022): Evalua­ting and support­ing Neuro­dif­fe­ren­ces* at work, Evaluating_and_supporting_Neurodifferences_at_work_March_2022.pdf (som.org.uk)

₅ Ebd.

₆ HOK(2019): Designing a Neuro­di­verse Workplace, Designing a Neuro­di­verse Workplace – HOK

₇ Ebd.

Fiona Torke

Seitdem ich Wörter zu Papier bringen kann, hat mich die Leidenschaft fürs Schreiben gepackt, denn so bringe ich Ordnung in meine Gedanken. Aus meinem Kindheitswunsch, Autorin zu werden, ist schließlich der Job als Content Creatorin und Texterin geworden. So gebe ich meinen Ideen nach wie vor tagtäglich in Bild und Schrift eine neue Dimension. Um mal Abstand von meiner Tastatur zu bekommen und neue Kreativität zu schöpfen, nutze ich die Natur und Bewegung beim Wandern, im Fitnessstudio oder bei einer Yoga-Session. Und manchmal darf es auch einfach eine kleine Auszeit mit einem guten Buch und einer Tasse Kaffee oder Kakao sein.

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