Wann ist der Mensch gesund? Wann ist der Mensch produktiv? Wann ist der Mensch glücklich? Wichtige Fragen, deren Antworten allesamt in Zusammenhang mit der Mitarbeitermotivation stehen. Und genau diesem Thema widmen wir uns in diesem Blogbeitrag: Dem Menschen in seiner Rolle als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter – und warum das Vertrauen ins Leben, das Gefühl, es zu verstehen, es gestalten zu können und es als sinnhaft zu begreifen, natürlich auch dem Menschenbild als Teil einer gesunden Unternehmenskultur entsprechen muss. So kann der Mensch mit samt der einzigartigen Werte gesund, motiviert und bestenfalls natürlich glücklich sein. In DAX-Konzernen wie im Mittelstand oder als Soloselbstständige:r. In einem veränderungsgetriebenen 21. Jahrhundert. In Zeiten, in denen andere Faktoren mehr auf die Mitarbeitermotivation einzahlen können als das Gehalt.
An dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky und seinem Konzept der Salutogenese kommen Menschen, die sich mit Mitarbeitermotivation beschäftigen, nicht vorbei. Konzernbosse, Führungskräfte sowie Trainerinnen und Trainer wissen um den Namen des Gefühls, das er in der Medizin geprägt hat: Das Kohärenzgefühl. Ist dieser Zustand oder der Sinn für Kohärenz erreicht, entsteht vereinfacht gesagt Gesundheit. Grundsätzlich steckt da das Vertrauen hinter, mit dem wir durchs Leben gehen. Dieses „durchdringende, andauernde und dennoch dynamische Gefühl des Vertrauens“ ist zentraler Aspekt der Salutogenese. Diese drei Gefühlsebenen stecken dahinter:
- das Gefühl der Verstehbarkeit: Die Fähigkeit, die Zusammenhänge des Lebens zu verstehen
- das Gefühl der Handhabbarkeit oder Bewältigbarkeit: Die Überzeugung, das eigene Leben gestalten zu können
- das Gefühl, dass das Leben sinnhaft ist: Die Auffassung, dass das eigene Handeln und Wirken bedeutend ist.
Man könnte sagen, dass das, was Antonovsky postuliert hat, für weitere Modelle der Motivationspsychologie wegweisend war und immer noch ist. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten: Kohärenz lässt sich auch als Basis für Mitarbeitermotivation verstehen. Darauf haben andere Wissenschaftler – zum Beispiel in der Psychologie – längst aufgebaut.
Grundlagen-Energie: Warum soll ich etwas tun? Warum will ich etwas lassen?
„Wenn es um den Menschen geht, komme ich immer wieder zur Basisfrage: Was hat der Mensch für Bedürfnisse? Das kann bei dem einen zum Beispiel Kontrolle oder Sicherheit sein, bei einer anderen Unabhängigkeit. Bedürfnisse sollten am besten zu dem passen, was er tut – das ist ein Baustein, der für Motivation sehr wichtig ist“, betont Silke Kleinschmidt. Die Diplom-Psychologin arbeitet seit 2012 für das Team Gesundheit. Als Trainerin und Beraterin betreut sie das Betriebliche Gesundheitsmanagement in der Region Nord-Ost. Ich telefoniere mit ihr, um etwas von ihrem Expertinnenwissen für diesen Beitrag einzuholen.
Wenn jemand etwas verändern möchte oder muss – in Unternehmen ist das ja Usus – steuere laut Kleinschmidt etwa bei Mitarbeitenden neben diesen Bedürfnissen auch die jeweilige motivationale Orientierung dazu bei, ob jemandem die Veränderung gelingt oder inwieweit jemand die Veränderung bereitwillig mitträgt. Kleinschmidt spricht hier von den beiden „regulatorischen Foki“, also Vermeidungs- oder Annäherungsmotivation als Grundlagen-Energie für Veränderungsprozesse – im Englischen Avoidance oder Approach. „Richtig erfolgreich sind diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die je nach Situation ihren Fokus wechseln können: Mal gilt es Risiken zu vermeiden, mal gilt es Entwicklung anzustreben. Die meisten Menschen haben allerdings eine grundlegende Tendenz in eine der beiden Richtungen, sie sind eher „Vermeider“ oder aber eher „Annäherer“. Mit Blick auf Mitarbeitende sind Unternehmen gut beraten, diese verschiedenen Orientierungen zu berücksichtigen, insbesondere bei der Darstellung und Kommunikation von anstehenden Veränderungen.
3K-Modell der Motivation: Kopf, Bauchgefühl und Kenntnisse arbeiten zusammen
Statt kalter und aufgestülpter Ziele wäre es laut Prof. Hugo M. Kehr erfolgversprechender „wenn Unternehmenslenkende eine inspirierende Vision formulieren, die das emotional Tiefere erreicht und damit auch nachhaltig dazu beitragen kann, Veränderungsmotivation zu erzeugen. Diese Vision sollte bildlich vermitteln, wohin die Veränderungswerkzeuge und die damit verbundenen Anstrengungen das Unternehmen führen und was sich dadurch verbessern wird.“ Kehr ist Leiter des Lehrstuhls für Psychologie an der Technischen Universität München. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Motivationspsychologie. Sein Statement stammt aus der Fachzeitschrift OrganisationsEntwicklung Nr. 3, Seiten 23/24, Jahr 2008. Von ihm stammt das sogenannte 3K-Modell der Motivation (siehe Faktenpapier).
Gesundheit zu fördern, kann zur Mitarbeitmotivation beitragen
Fatal ist es zum Beispiel, wenn Unternehmenslenkende denken, dass sich alle Mitarbeitenden auf dieselbe Weise motivieren lassen – mit finanziellen Anreizen zum Beispiel. Um an dieser Stelle die Stellungnahme einer weiteren Expertin zu erfragen, telefoniere ich mit Anna Arendt – und ein Funken sprüht durch die Leitung. Die Diplom-Psychologin ist Leiterin Prävention in Lebenswelten und Pflege bei Team Gesundheit. Sie arbeitet seit 15 Jahren für das Unternehmen. Als Führungskraft leitet sie seit einigen Jahren ein Team von 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich frage sie: Was bedeutet Mitarbeitermotivation für dich?
„Mein Job ist es, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu begeistern und gute Arbeitsbedingungen für sie zu gestalten, denn wenn sie das, was sie tun, wirklich gern tun, sind sie bereit, ihr Bestes zu geben. Bei Team Gesundheit haben wir das Glück, einer sehr sinnstiftenden Arbeit nachzugehen: Wir fördern die Gesundheit von Menschen. In meiner Abteilung zählt dazu vor allem die Gesundheit von Kindern, Eltern, Lehrkräften und pflegebedürftigen Menschen. Das macht einfach Sinn und genau solche Aufgaben wecken und bedienen unsere intrinsische Motivation – da können finanzielle Anreize als Motivator kaum mithalten.”
Neben diesem Gefühl von Freude und Sinnhaftigkeit sollte laut Arendt die Aufgabe zu den Fähigkeiten der jeweiligen Person passen, um die Mitarbeitermotivation zu erhöhen. Außerdem muss sie Handlungsspielraum bekommen. Diese Kombination motiviert ungemein. Das Modell dahinter ist das sogenannte Person-Environment-Fit-Modell (siehe Faktenpapier).
Als dritte Säule setzt sie auf den Zusammenhalt innerhalb ihres Teams. Um das Miteinander ihres Teams zu stärken, veranstalte sie zweimal im Jahr Teamevents, mache regelmäßig digitale Kaffeepausen sowie Team-Jourfixe und führe mehrmals jährlich Gespräche mit ihren Mitarbeitenden. Sie frage sie dabei: „Was brauchst du, um gut arbeiten zu können; wo möchtest du dich hin entwickeln?“ Sie wisse aus der Stressforschung, dass zwei Faktoren, also soziale Unterstützung und Handlungsspielraum zu geben, doppelt positive Wirkung hätten: „Einerseits wirkt es stressvorbeugend, wenn ich Handlungsspielraum habe, anders herum wirken diese beiden Faktoren auch als Puffer, wenn Stress da ist“, sagt sie. Als Leitungsmaxime baue sie auf Vertrauen und Wertschätzung. „Ich setze dazu zum Beispiel auf flexible Arbeitszeiten und Homeoffice. Ich kontrolliere die Arbeitsergebnisse nicht.“ Darauf frage ich: „Auch nicht, wenn dir jemand ein Arbeitspapier zuschickt?“ „Dann schon!“, sagt sie lachend. Sie ergänzt: „Ich bin so ein ‚Ganz-oder-gar-nicht-Typ‘. Und wenn ich eine Lektion als Führungskraft gelernt habe, dann ist das diese: nicht immer die Lösung für andere zu suchen, sondern lieber Fragen stellen.“
Fazit
Für mich ist klar: Das Grundbedürfnis eines jeden Menschen ist es, in der Zeit, die ihm das Leben schenkt, etwas Sinnstiftendes zu tun. Jemand, dem seine Bedeutsamkeit bewusst ist und der daran glaubt, dass er etwas bewegen kann, kann Berge versetzen und seine Visionen umsetzen. Mit der nötigen Übung – das ist klar. Und natürlich mithilfe des Verstands. Eine Ingenieurin glaubt möglicherweise daran, dass sie mit ihren Konstruktionen beständige Bauwerke oder Schiffe geplant hat; die anderen Menschen Sicherheit verschaffen; eine Stuckateurin erfreut sich noch nach 40 Jahren daran, dass sie in den Häusern dieser Welt etwas mit Beständigkeit erschaffen hat; ein Sportlehrer, dass er Menschen inspiriert, sich zu bewegen, um gesund zu bleiben. Mich erinnert die Energie des Grundbedürfnisses an die eigentliche Stärke eines jeden Menschen: sich bewusst zu machen, wofür er hier ist.
*Das Geld und die Motivation:
Prof. Kehr antwortet übrigens auf die Frage der Autorin der Fachzeitschrift OrganisationsEntwicklung, inwieweit Geld motiviere: „Da macht der Kopf zwar mit, aber der Bauch möglicherweise nicht. Kurzfristig motiviert Geld schon, aber eben nicht nachhaltig. Sobald der Anreiz wegfällt oder sich abnutzt, sinkt dann auch die Motivation. Das heißt konkret, finanzielle Anreize müssen kontinuierlich beibehalten, meistens sogar gesteigert werden, damit sie eine Wirkung entfalten. Oft werden finanzielle Anreize genutzt, um Furcht zu erzeugen und damit Veränderungsenergie freizusetzen. Dauern jedoch der Wandelprozess und die damit verbundenen Ängste zu lange, werden vor allem die guten Mitarbeiter/-innen versuchen, aus diesem emotionalen «Dampfkessel» auszubrechen und das Unternehmen zu verlassen.“ Drei Fakten zur Mitarbeitermotivation können Sie in unserem kostenfreien Faktenpapier nachlesen! Mit dabei sind auch zwei weiterführende Sternchen-Inhalte aus diesem Text. Interesse geweckt? Jetzt herunterladen!