„Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ Deutschland ist ein Land des langen Lebens. Bis dahin kommen viele Zipperlein – auch das Vergessen – oft schleichend. Und nicht jedes Vergessen bedeutet gleich eine demenzielle Erkrankung. Laut Alzheimer Initiative e.V. gibt es mehr als 50 verschiedene Formen von Demenz. 20 Prozent der 80-Jährigen und 40 Prozent der 90-jährigen sind dement. Im Jahr 2050 wird Schätzungen zufolge jeder Achte Ü‑80 sein. Und auch, wenn man nicht sagen kann, dass mit dem Altwerden automatisch die Pflegebedürftigkeit kommt: Mit dem Alter nimmt jedoch die Wahrscheinlichkeit zu, Pflege von anderen in Anspruch zu nehmen. Hierzulande läuft die Versorgung etwa zu einem Drittel in Pflegeeinrichtungen.
Konzepte für Bewohnerinnen und Bewohner solcher Einrichtungen sind seit 2015 – quasi mit dem Auftrag des Gesetzgebers – immer mehr gewünscht. Das Gesetz gibt auch vor, dass Menschen – zum Beispiel aufgrund ihrer Demenz – nicht von den Präventionsprojekten ausgeschlossen sein dürfen. Die Experten des Team Gesundheit haben also neben der betrieblichen Gesundheitsförderung im Krankenkassen-Kontext auch entsprechende Konzepte im Pflegekassen-Kontext geschaffen. Dazu zählt auch die Lebenswelt „Pflegeheim“ mit dem Schwerpunkt Bewohnergesundheit.
Die Verantwortliche für diese Lebenswelt ist Sina Humm. Die Konzepte für Bewohnergesundheit heißen
„PROBIER MA(H)L – Besser essen in der Pflege“
„Schritt für Schritt – Gemeinsam bewegt im Alter“ und
„Unvergessen – Aktivierung durch Märchen“
Humm hat Prävention und Rehabilitation mit dem Schwerpunkt Bewegung studiert. Schon zu Studienzeiten hat sie das Bewegungsverhalten älterer Menschen interessiert und Präventions- und Reha-Senioren-Gruppen geleitet. Ihr fachliches Know-how hat sie in die Konzepte des Team Gesundheit fließen lassen. Das Konzept „Unvergessen – Aktivierung durch Märchen“ hat sie mit entwickelt – und als Produktverantwortliche hat sie auch für die Implementierung in zahlreichen Pflegeeinrichtungen gesorgt. „Kinder hören gerne Märchen – Erwachsene auch“, erläutert sie den Konzept-Fokus. „Es ist eine tolle Erfahrung zu erleben, wie Märchen und die ausgelösten Emotionen bei selbst schwerdementen Heimbewohnern Türen öffnen können, die sonst geschlossen bleiben“, berichtet sie.
Auch, wenn Menschen mit Demenz viele Dinge nicht mehr wissen: „An Märchen und wie die Eltern sie erzählt haben, können sie sich erinnern. Man kommt so durch die sogenannte Biografie-Arbeit ins Gespräch, wo das sonst nicht mehr möglich ist. Im Dialog bittet man die Bewohnerinnen und Bewohner einfach, zum Beispiel bekannte Märchen-Sätze zu beenden“, erläutert Humm. Zur Unterstützung gibt es, ganz neu, eine Requisiten-Kiste beispielsweise mit einer goldenen Krone, einer roten Kappe aus Rotkäppchen oder einem Stofftierfrosch. „Die regen das Gedächtnis über die Haptik zusätzlich an“, ergänzt Humm. „Man sieht ihnen an, dass es ihnen gut geht. Und im besten Falle erinnern sie sich auch noch am nächsten Tag.“ Die Gesundheitsförderung bei Heimbewohnern sei laut Humm so zu verstehen: „Es geht nicht darum, Erkrankungen zu heilen, sondern Ressourcen, die noch da sind, zu stärken.“
Unvergessen – Aktivierung durch Märchen: Fakten zum Projekt
Die Schulung zum Märchenerzähler dauert drei Tage lang und richtet sich an die Betreuungs- und Pflegekräfte einer Einrichtung. Eine professionelle Märchenerzählerin oder ein professioneller Erzähler schult die Erzähltechnik und die Stimme, Mimik und Gestik, und das Vortragen wird zusammen geübt. Ein Handout mit Mindmaps zu den Märchen erleichtert den frisch gebackenen Märchenerzählerinnen und ‑erzählern den Einstieg. Ein weiterer Tag wird für eine Hospitation vorgesehen.
Die weiteren Konzepte im Überblick:
PROBIER MA(H)L – Besser essen in der Pflege: Fakten zum Projekt
In den jeweils speziell entwickelten Workshops geht es unter anderem darum, die Kommunikation zwischen Küchenpersonal und Pflegekräften zu verbessern, so dass durch klare Pläne und Strukturen die Verpflegung der Bewohnerinnen und Bewohner verbessert wird. „Für Bewohnerinnen und Bewohner mit Demenz sind beispielsweise weiße Teller auf weißer Tischdecke nicht geeignet – sie können sie nicht erkennen“, erläutert Sina Humm. Sie ergänzt: „Auch zu viele Deko-Artikel auf dem Tisch sorgen für Unruhe und Überforderung.“ Grundsätzlich sieht das Konzept zwei vierstündige Workshops für das Küchenpersonal und einen vierstündigen Workshop für die Pflegekräfte vor. Ein gemeinsamer Schnittstellen-Workshop – ebenso vierstündig – ein Sinnesparcours für die Bewohnenden und ein Vortrag für Angehörige, runden das Konzept ab.
Schritt für Schritt – Gemeinsam bewegt im Alter: Fakten zum Projekt
Für Mitarbeiterende der Pflegeeinrichtungen: Acht Wochen lang, zweimal wöchentlich und für jeweils zwei Gruppen kommt eine professionelle Trainerin bzw. ein professioneller Trainer in die Pflegeeinrichtung und bringt Bewegungsroutine für die Bewohnerinnen und Bewohner. „Wir bringen damit sozusagen den Stein ins Rollen“, sagt Sina Humm. Anschließend sieht das Konzept eine eintägige Schulung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie einen Hospitationstag vor. Professionell aufbereitete Stundenmodelle für 16 Einheiten bieten den Mitarbeitenden – nachdem der Stein ins Rollen gebracht ist – eine solide Basis, um die Kurse selbst umzusetzen.
Für Angehörige von Bewohnerinnen und Bewohner gibt es einen speziellen Workshop. „Oftmals nehmen Angehörige durch die Doppelbelastung gar nicht an solchen Mitmach-Aktionen teil, weil sie selbst durch die Berufstätigkeit und die Unterstützung der Angehörigen gestresst sind. Diejenigen, die an dem zweistündigen Workshop teilnehmen, erhalten Inspirationen für ganz niedrigschwellige Bewegungsangebote, wie Koordinationsübungen beim Spaziergang. Sie sorgen so für eine entspanntere Beziehung zu ihren Angehörigen – und entlasten letztendlich sich selbst und bestenfalls auch die Pflegekräfte.
Sina Humm –Verantwortliche für die Lebenswelt Pflegeheim mit dem Schwerpunkt Bewohnergesundheit
Sina Humm ist 1991 geboren. Die Verantwortliche für den Bereich „Pflege“ ist seit Anfang 2017 Teil des Team Gesundheit-Teams. Sie hat an der Sporthochschule Köln studiert und ihren Master im Bereich Prävention, Rehabilitation und Gesundheitsmanagement mit dem Schwerpunkt Bewegung gemacht. Besonders das Bewegungsverhalten von Senioren hat es der gebürtigen Schwäbin angetan. Humm: „Am sinnvollsten ist es übrigens, auch die Mitarbeitergesundheit zu fördern. Es ist also immer gut, die gesamte Einrichtung zu betrachten“, resümiert Sina Humm.
Die weiteren beiden Zielgruppen in der Pflege, nämlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die pflegenden Angehörigen mitsamt Hauptverantwortlichen lernen Sie in den kommenden Blogbeiträgen kennen.