Von wachsenÂden AnsprĂĽÂchen und weniger Toleranz
Ein Leben lang in demselben UnterÂnehÂmen arbeiten? Diese Zeit ist vorbei. Die BetriebsÂtreue unserer GroĂźelÂtern wurde nicht auf die heutige GeneraÂtion weiterÂverÂerbt. Laut einer Studie des StatisÂtiÂschen BundesÂamÂtes1 arbeitet momentan nicht einmal mehr die Hälfte der ErwerbsÂtäÂtiÂgen länger als zehn Jahre bei der gleichen Firma. Grund dafĂĽr sind unter anderem unsere wachsenÂden AnsprĂĽche: Self-Care, Work-Life-Balance und ArbeitsÂzuÂfrieÂdenÂheit werden heutzuÂtage groĂź geschrieÂben – unbezahlte ĂśberstunÂden, zusätzÂliÂche Projekte und der Verzicht auf ein PrivatÂleÂben werden hingegen nicht länger toleriert. In einem gemeinÂsaÂmen Streben nach besseren Arbeits- und LebensÂbeÂdinÂgunÂgen erhebt sich der Begriff Quiet Quitting vom TikTok-Slogan zur neuen Millennial-Mentalität und kostet UnterÂnehÂmen weltweit schätÂzungsÂweise 1,5 Billionen Dollar2 pro Jahr.
Quiet Quitting: Die Grundidee des stillen KĂĽndigens
Quiet Quitting beschreibt keine Rebellion, in welcher die nächste GeneraÂtion aktiv fĂĽr bessere ArbeitsÂbeÂdinÂgunÂgen auf die BarriÂkaÂden geht. Quiet Quitting beschreibt lediglich den Dienst nach Vorschrift. Am ArbeitsÂplatz wird nur noch so viel geleistet, wie es entlohnt und vertragÂlich vorgeÂseÂhen ist – nicht mehr und nicht weniger. Denn immer weniger junge Menschen sind dazu bereit, sich fĂĽr ihre Firma aufzuÂopÂfern oder einem utopiÂschen WohlstandsÂverÂspreÂchen hinterÂherÂzuÂeiÂfern. StattÂdesÂsen verrinÂgern sie ihre persönÂliÂche ArbeitsÂleisÂtung auf das vertragÂlich vereinÂbarte Minimum und erledigen nur noch das Nötigste.
Die EntsteÂhung einer GegenÂbeÂweÂgung: Von der Hustler Culture zu Quiet Quitting
Der Trend des Quiet Quittings entstand erst vor wenigen Jahren und wird seitdem in den sozialen Medien propaÂgiert. Er begann 2021 mit einem TikTok-Video von Zaid Lepplin, welches heute mehr als 3,5 Millionen Mal geklickt wurde. Seine Botschaft lautete:
„Du kĂĽndigst nicht deinen Job, sondern die Idee, alles fĂĽr diesen zu geben. Du erfĂĽllst immer noch deine Pflichten, aber unterÂwirfst dich nicht mehr der Hustle Culture. Arbeit ist nicht dein Leben. Dein Wert als Mensch definiert sich nicht ĂĽber deine ProdukÂtiÂviÂtät.“
Er spricht sich damit fĂĽr den Bruch mit der LeistungsÂgeÂsellÂschaft aus, in welcher wir arbeiten, um zu leben, anstatt leben, um zu arbeiten. Die neue Bewegung des Quiet Quittings verabÂschieÂdet sich somit von dem GlaubensÂgrundÂsatz „Wir sind, was wir arbeiten“ und kehrt WorkahoÂlism, Burnout und SelbstÂausÂbeuÂtung den RĂĽcken zu.
WirtschaftÂlich Folgen des Quiet Quitting FĂĽr UnterÂnehÂmen
FĂĽr UnterÂnehÂmen hat diese Haltung spĂĽrbare Folgen. Denn Angestellte beschäfÂtiÂgen sich nach dem pĂĽnktlich eingeÂläuÂteÂten FeierÂabend nicht weiter mit der Firma. So bleiben nicht nur wichtige Impulse aus, auch auf alten VerhalÂtensÂweiÂsen aufgeÂbaute Prozesse dauern länger, da BeschäfÂtigte in ihrer Freizeit nicht erreichÂbar sind. Zudem gibt es weniger MitarÂbeiÂtende, die auf potenÂziÂelle Probleme aufmerkÂsam machen, von sich aus VerbesÂseÂrungsÂvorÂschläge einbrinÂgen oder andere bei deren Aufgaben unterÂstĂĽtÂzen. Nicht zuletzt tun sie ihren Chefs oder KolleÂginÂnen und Kollegen keine arbeitsÂbeÂzoÂgeÂnen Gefallen mehr. In vielen UnterÂnehÂmen entsteht daher ein wachsenÂder Berg an unerleÂdigÂten TätigÂkeiÂten und eine ĂśberbeÂlasÂtung der nach wie vor engagierÂten BeschäfÂtigÂten.
Es ist also nicht verwunÂderÂlich, dass die passive ArbeitsÂhalÂtung UnterÂnehÂmen weltweit schadet. Viele Arbeitgeber:innen stellen bereits fest, dass immer mehr Arbeit liegen bleibt. Fest steht: Die Zeit, in der ArbeitÂnehÂmende ihre mentale GesundÂheit vernachÂläsÂsiÂgen, um UnterÂnehÂmensÂziele zu erreichen, ist vorbei.
Dienst nach Vorschrift und FachkräfÂteÂmanÂgel
Wer sich persönÂlich dem Quiet Quitting verschrieÂben hat, muss entspreÂchend mit gerinÂgeÂren AufstiegsÂchanÂcen rechnen. Engagierte KolleÂginÂnen und Kollegen werden bei BeförÂdeÂrunÂgen oder GehaltsÂerÂhöÂhunÂgen meist den nach dem Prinzip des MinimaÂlisÂmus arbeiÂtenÂden Personen gegenĂĽber bevorzugt.
In manchen Fällen gehen Arbeitgeber:innen nun jedoch noch einen Schritt weiter und reagieren ebenfalls mit einem PassivÂverÂhalÂten: Durch subtile Schikane, Exklusion oder Non-Kommunikation holen sie zum GegenÂanÂgriff aus und versuchen sich des Quiet Firings.3 Dass das keine Lösung ist, ist offenÂsichtÂlich. Das BetriebsÂklima, die eigene GesundÂheit und der wirtschaftÂliÂche Erfolg des UnterÂnehÂmens können darunter leiden.
Gerade beim derzeitig herrschenÂden FachkräfÂteÂmanÂgel, sollte es immer das Ziel der Chefetage sein, die BeschäfÂtigÂten zu motivieÂren, zu unterÂstĂĽtÂzen und möglichst lange an die Firma zu binden. Denn laut einer Stepstone Studie von 20224 kostet UnterÂneÂmen eine unbesetzte Stelle im Schnitt 29.000 Euro. In groĂźen UnterÂnehÂmen mit mehr als 250 MitarÂbeiÂtenÂden kann sich der Schaden sogar auf mehr als 73.000 Euro belaufen. Wie das Quiet Quitting selbst verzögern auch PersoÂnalÂlĂĽÂcken UnterÂnehÂmensÂproÂzesse von der ProdukÂtion bis in die VerwalÂtung, auĂźerdem verrinÂgern sie die ProdukÂtiÂviÂtät und fĂĽhren letztÂendÂlich zu UmsatzÂeinÂbuÂĂźen.
Stilles kĂĽndigen ist nicht gleich stille KĂĽndigung
UnterÂnehÂmen ĂĽbersehen ihre Chancen. Denn der Wechsel von ambitioÂnierÂten KarrieÂreÂpläÂnen hin zu einem glĂĽckÂliÂcheÂren Leben bedeutet nicht zwangsÂläuÂfig einen BerufsÂwechÂsel. TatsächÂlich gibt es zwei verschieÂdene AusleÂgunÂgen des Begriffes Quiet Quitting:
- KĂĽndigung der ArbeitsÂstelle: In diesem Fall haben sich die BeschäfÂtigÂten innerlich bereits von ihrer Arbeit verabÂschieÂdet und fahren entspreÂchend ihren Einsatz auf ein absolutes Minimum herunter. Sie legen eine negative, resignierte Haltung an den Tag, da sie keine Angst davor haben, ihre Stelle zu verlieren und ihrer Firma keine VerpflichÂtung gegenĂĽber verspĂĽren. Ihre aktive KĂĽndigung zögern sie jedoch aus unterÂschiedÂliÂchen GrĂĽnden noch hinaus, um ihre ArbeitsÂloÂsigÂkeit bei einem JobwechÂsel so gering wie möglich zu halten oder eine KĂĽndigung von Seiten der Chefetage zu provoÂzieÂren.
- KĂĽndigung der ArbeitsÂbeÂdinÂgunÂgen: In diesem Fall identiÂfiÂzieÂren sich die MitarÂbeiÂtenÂden immer noch mit ihrem UnterÂnehÂmen und schätzen ihren Beruf. Sie sind jedoch nicht dazu bereit, zusätzÂliÂches EngageÂment aufzuÂbrinÂgen und unbezahlt MehrarÂbeit zu leisten. Obwohl sie ihren Job weiterhin behalten wollen, möchten sie ihre allgeÂmeiÂnen ArbeitsÂbeÂdinÂgunÂgen ändern und stattÂdesÂsen mehr Freiraum fĂĽr KreatiÂviÂtät, eigene Ideen und abwechsÂlungsÂreiÂche Arbeiten.
Die moderne InterÂpreÂtaÂtion des Quiet Quitting ist eigentÂlich selbstÂverÂständÂlich, denn der Wunsch nach ArbeitsÂverÂtrag zu arbeiten, sollte jederzeit realiÂsierÂbar sein. SchlieĂźÂlich wurde er ursprĂĽngÂlich genau dafĂĽr aufgeÂsetzt: Um die Rechte und Pflichten beider Parteien zu schĂĽtzen. Deshalb ist es nicht verwunÂderÂlich, dass einer Gallup-Studie5 zufolge zwei Drittel aller deutschen MitarÂbeiÂtenÂden nur noch Dienst nach Vorschrift leisten, sich an ihre vertragÂliÂchen KondiÂtioÂnen halten möchten und nicht dazu bereit sind, tagtägÂlich MehreinÂsatz zu leisten.
Zeitgeist Quiet Quitting: GrĂĽnde fĂĽr den akuten SinnesÂwanÂdel
Doch wie kommt es jetzt eigentÂlich zu dem Phänomen des Quiet Quitting? Die Faktoren hierfĂĽr sind sehr unterÂschiedÂlich und können z. B. sein:
- VerschieÂbung von Werten und PrioriÂtäÂten: Wer sich nicht mehr mit der Vision des UnterÂnehÂmens identiÂfiÂzieÂren kann, verliert die MotivaÂtion, ĂĽber sich hinausÂzuÂwachÂsen
- Burnout: 2021 gab es in DeutschÂland rund 194.000 Burnout BetrofÂfene6 (unter allen gesetzÂlich krankenÂverÂsiÂcherÂten BeschäfÂtigÂten), das geht in der Regel mit gerinÂgeÂrem EngageÂment und schlechÂteÂrer ArbeitsÂmoÂral einher
- UngleichÂgeÂwicht zwischen GehaltsÂerÂhöÂhung und Inflation: BeschäfÂtigte ĂĽberdenÂken, wie viel Zeit und MĂĽhe sie in ihre Arbeit invesÂtieÂren und ob sie dafĂĽr auch angemesÂsen entlohnt werden
- AllgeÂmeine ArbeitsÂunÂzuÂfrieÂdenÂheit: Die ĂĽblichen VerdächÂtiÂgen wie unklare ErwarÂtungsÂhalÂtung, kaum WeiterÂbilÂdungsÂmögÂlichÂkeiÂten sowie mangelnde WertschätÂzung und AnerkenÂnung fĂĽhren ebenfalls zu ResignaÂtion und schlussÂendÂlich zum Quiet Quitting
FĂĽr BeschäfÂtigte hat sich ihr Blick auf die Arbeit verändert. Sie fĂĽhlen sich gestresst, ĂĽberlasÂtet, erfahren zu wenig WertschätÂzung und dass, obwohl sie bei der Arbeit oft mehr machen, als sie eigentÂlich mĂĽssten. GleichÂzeiÂtig wird AngestellÂten immer häufiger gezeigt, dass sie fĂĽr ihre Firma entbehrÂlich sind. Als KonseÂquenz ziehen sie sich emotional von ihrer Arbeit zurĂĽck und setzen klare Grenzen zwischen Beruf und PrivatÂleÂben. In einem Zeitalter, in dem ĂśberstunÂden an der TagesÂordÂnung stehen und ständige ErreichÂbarÂkeit sogar am WochenÂende als selbstÂverÂständÂlich angesehen wird, war dieser Schritt fĂĽr viele längst ĂĽberfälÂlig.
Denn der wirtschaftÂliÂche Zwang zur ProdukÂtiÂviÂtät und der soziale Druck nach berufÂliÂchem Erfolg kann sich durchaus negativ auf die körperÂliÂche GesundÂheit, das seelische WohlbeÂfinÂden und die zwischenÂmenschÂliÂchen BezieÂhunÂgen auswirken. TatsächÂlich leistet jeder Dritte in DeutschÂland wöchentÂlich mehr als 15 ĂśberstunÂden.7 Trotzdem macht sich diese MehrarÂbeit nicht in der Bezahlung bemerkbar: Trotz guter AusbilÂdung sind die MillenÂniÂals um 40 % ärmer als ihre Eltern.8 Dadurch ist es nicht verwunÂderÂlich, dass der Trend des Quiet Quittings gerade zur jetzigen Zeit in unserer GesellÂschaft auf fruchtÂbaÂren Boden stieĂź.
GegenÂmaĂźÂnahÂmen: Aktive KommuÂniÂkaÂtion statt stille VerweiÂgeÂrung
Sollten UnterÂnehÂmen das Thema Quiet Quitting aktiv anspreÂchen? Auf jeden Fall. Eine ehrliche und offene KommuÂniÂkaÂtion ist immer der beste Weg, um herausÂzuÂfinÂden, was die Mitarbeiter:innen brauchen, um sich an ihrem ArbeitsÂplatz wohl zu fĂĽhlen und sich weiterhin mit ihrer Firma zu identiÂfiÂzieÂren. In dringenÂden Fällen sollte deshalb nicht vor einem Vier-Augen-Gespräche zurĂĽckÂgeÂschreckt werden, um Klarheit zu schaffen und Angestellte zurĂĽckÂzuÂgeÂwinÂnen. Im AllgeÂmeiÂnen sind auch Coachings und GruppenÂgeÂspräÂche ratsam, um die BeschäfÂtigÂten gesund zu fĂĽhren, die eigenen Teams zu motivieÂren und das Thema Work-Life-Balance offen zu diskuÂtieÂren. Denn eine gute interne KommuÂniÂkaÂtion ist das A und O, um dem Quiet Quitting entgeÂgenÂzuÂwirÂken und die FirmenÂverÂbunÂdenÂheit zu stärken.
FĂĽhrungsÂgrundÂsätze entwiÂckeln
IndiviÂduÂelle Lösungen finden und umsetzen
Seminar & Workshop
IndiviÂduÂell
Präsenz
Mehr erfahren âžśGesunde TeamentÂwickÂlung anstoĂźen
Vom Problem zur Lösung
Seminar & Workshop
Halbtägig
Präsenz
Mehr erfahren âžśKommuÂniÂkaÂtion & FĂĽhrung
UmfangÂreiÂches ExperÂtenÂwisÂsen on Demand
Video
IndiviÂduÂell
Digital
Mehr erfahren âžśMitarÂbeiÂtende gesund fĂĽhren
BelasÂtunÂgen reduzieÂren und die GesundÂheitsÂkomÂpeÂtenz stärken
Seminar & Workshop
Halbtägig
Präsenz, Digital
Mehr erfahren âžśMitarÂbeiÂterÂbeÂfraÂgung
Analysen zu gesundÂheitsÂreÂleÂvanÂten Faktoren der Arbeit
Beratung & Analyse, GesundÂheitsÂbeÂricht & Befragung
IndiviÂduÂell
Präsenz, Digital
Mehr erfahren âžśMiteinÂanÂder wertschätÂzend umgehen
FĂĽr eine gute ArbeitsÂatÂmoÂsphäre
Vortrag
60 Minuten
Präsenz, Digital
Mehr erfahren âžś1 Dauer der BeschäfÂtiÂgung beim aktuellen ArbeitÂgeÂber. VerfĂĽgbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension‑4/dauer-beschaeftigung-aktuell-Arbeitgeber.html
2 Quiet Quitting StatisÂtics. VerfĂĽgbar unter: https://teambuilding.com/blog/quiet-quitting-statistics
3 https://www.stern.de/wirtschaft/job/-quiet-firing—sieben-moegliche-anzeichen–was-man-tun-kann-33064074.html
4 https://www.springerprofessional.de/fachkraeftemangel/personalcontrolling/unbesetzte-stellen-sind-ein-teurer-spass/20365350
5 Gallup EngageÂment Index 2019. AuszĂĽge verfĂĽgbar unter: https://www.personalwirtschaft.de/news/personalentwicklung/mitarbeitende-bemaengeln-fehlende-foerderung-99340/
6 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/239872/umfrage/arbeitsunfaehigkeitsfaelle-aufgrund-von-burn-out-erkrankungen/
7 Haufe Statistik ĂśberstunÂden. VerfĂĽgbar unter: https://www.haufe.de/personal/hr-management/arbeitszeit-ueberstunden-in-deutschland_80_412324.html
8 EinkomÂmensÂlĂĽÂcke zwischen GeneraÂtioÂnen. VerfĂĽgbar unter: https://www.imf.org/external/pubs/ft/fandd/2017/06/dettling.htm