Deutschlands berühmter Altenpfleger Ferdi Cebi gibt Einblicke, wie es ein Jahr nach dem Pflegeruck steht

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Ferdi Cebi ist Alten­pfle­ger in einem Alten­pfle­ge­heim Pader­borns. Als Cebi vergan­ge­nes Jahr vor der Bundes­tags­wahl als Gast im Zuschau­er­raum der Wahlkampf­sen­dung „Klartext, Frau Merkel“ das Wort ergreift, erläutert er der damaligen CDU-Spitzenkandidatin, was die Regierung bis dato in Sachen Pflege­re­form in seinen Augen gut gemacht habe – er nennt etwa die Einfüh­rung der struk­tu­rier­ten Infosamm­lung SIS, durch die er und seine Zunft wertvolle Zeit gewinnen, statt in „überflüs­sige Dokumen­ta­tion zu verplem­pern“ und er begrüßt, „dass Pflege­schü­ler kein Lehrgeld mehr bezahlen müssen“.

Er sagt damals aber auch, wo die Bundes­re­gie­rung für seinen Berufs­stand noch schrauben muss:

  1. „an einer Mindest­zahl an Personal auf den Stationen,
  2. am besseren Lohn und
  3. an besseren Arbeits­zei­ten.“

Sein selbst­be­wuss­ter Auftritt dort hatte zur Folge, dass ihn Angela Merkel nach der Wahl im Juli 2018 wie verspro­chen an seiner Arbeits­stätte besucht. Der PR-Auftritt zu Beginn der Konzer­tier­ten Aktion Pflege hatte es in sich: Die vielen Medien­be­richte haben Ferdi Cebi zu einem berühmten Vertreter seines Berufs­stands gemacht. In meinem Pflege-Dossier, das wir vergan­ge­nes Jahr im Juli veröf­fent­licht haben, hatten wir uns vorge­nom­men, im Juli 2019 noch einmal bei Ferdi Cebi nachzu­fra­gen, was sich bei ihm, dem Berufs­stand und beim Pflege-Nachwuchs getan hat.

Von Stell­schrau­ben, an denen gedreht wird und von solchen, an denen wohl nicht zu drehen ist

Ich erreiche den 37-Jährigen telefo­nisch bei sich zuhause. Sein Urlaub in der Türkei liegt gerade hinter ihm. Heute hat er frei. Unser Gesprächs­ter­min in der Woche zuvor musste ausfallen, weil er die Schicht eines Kollegen übernom­men hat – eine typische Alltags­si­tua­tion für einen Alten­pfle­ger. Cebi liebt seinen Beruf, zum einen, weil ihn die Zusam­men­ar­beit mit den alten Menschen habe reifer werden lassen und, weil er viel von ihnen zurück­be­käme; zum anderen, weil er im richtigen Betrieb ist und dort besser als der Durch­schnitt verdient. Und trotzdem: Selbst an einem Ort, an dem nach Länder-Tarif bezahlt wird – Cebi verdient nach eigenen Angaben mit seiner Vollzeit­stelle 3.200 Euro brutto, hat 32 Tage Urlaub und darf mit zwei Rolltagen und dem Wochen­ende vier Tage lang am Stück frei machen, nachdem er zehn Tage lang gearbei­tet hat. Er könne sich so gut erholen und Kraft für seine Arbeit schöpfen. „Die macht einfach Spaß!“, sagt er.

Stell­schraube 1: Die Mindest­zahl an Personal auf den Stationen – nicht drehbar

Und selbst bei seinem Arbeit­ge­ber mit solch idealen Bedin­gun­gen, bräche die Arbeits­struk­tur zusammen, sobald ein Kollege krank werde. Dann müsse auch Cebi – ob Rolltag oder Wochen­ende – einsprin­gen.  Und das ist nicht einfach so zu ändern: „Der Perso­nal­schlüs­sel wird ja über die Pflege­grade ermittelt“, sagt er. Wohlwis­send ergänzt er: „Das ist aber eine Stell­schraube an der nicht zu drehen ist; auch nicht durch die Konzer­tierte Aktion Pflege und das Pflege­per­so­nal­stär­kungs­ge­setz.“

 „Anders, als in unserem Haus, müssen viele Alten­pfle­ger durch die 6‑Tage-Woche zwölf Tage am Stück arbeiten und haben dann nur zwei Tage durch das Wochen­ende frei. Wie soll man sich da erholen? Ich würde mir das für alle meine Kollegen in Deutsch­land wünschen.“

Fredi Cebi – Alten­pfle­ger

Stell­schrau­ben 2 und 3: Besserer Lohn, bessere Arbeits­zei­ten

Mit seinem Lohn ist Cebi nach eigenen Angaben sehr zufrieden: „Ich wünsche mir aber, dass das Gehalt in allen Bundes­län­dern für die gesamte Zunft tariflich geregelt ist“, sagt er. Er habe dieses Jahr allein dadurch, dass seine Arbeit tariflich geregelt ist, schon eine Lohner­hö­hung erhalten. In einem Verband ist Cebi nicht aktiv. Er tausche sich über die Social-Media-Kanäle als „IDREF“ mit anderen Pflege­kräf­ten aus. Dort ist er auch mit seiner Musik aktiv. Und dort zeigt er sich auch mit den Senioren aus dem Alten­pfle­ge­heim. Der gebürtige Deutsche mit türki­schen Wurzeln hat zum Zeitpunkt unseres verscho­be­nen Gesprächs gerade seinen zweiwö­chi­gen Urlaub in der Türkei hinter sich. Und weil ein Kollege krank wurde, musste er einsprin­gen. So gut erholt sei das natürlich kein Problem.

Roth:
Wenn er nach einer Zehn-Tage-Woche aber deswegen seine vier Erholungs­tage – die Rolltage plus Wochen­ende – unter­bre­chen muss?

Cebi:
Das ist kraft­zeh­rend.“

Und selbst, wenn Hilfs­kräfte und Alten­pfle­ger quasi unabhän­gig vom Perso­nal­schlüs­sel einge­stellt würden, denn durch den vom Kabinett beschlos­se­nen Gesetz­ent­wurf zur Stärkung des Pflege­per­so­nals sollten ab Januar 2019 deutsch­land­weit ja 13.000 Pflege­kräfte in statio­nä­ren Pflege­ein­rich­tun­gen neu einge­stellt werden. Ob er davon schon etwas mitbe­kom­men habe? Cebi: „Ehrlich gesagt nicht. Wo sollen die auch herkommen? Der Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter ist ja gerade im Kosovo, um dort für Pflege­kräfte zu werben.“ Laut Spiegel hat Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn aufgrund tausender unbesetz­ter Stellen eine Verein­ba­rung unter­zeich­net, um Pflege­kräf­ten aus dem Kosovo den Start in Deutsch­land zu erleich­tern. Angesichts des Pflege­not­stands könnten weitere Länder folgen.
Ja, es muss auch ein Jahr nach dem Pflege­ruck weiter kräftig geschraubt werden: Positiv bewertet Cebi, dass durch die Konzer­tierte Aktion Pflege der Pflege­not­stand eben Thema geworden ist: „Es wird darüber geredet“, sagt er.

Ferdi Cebi
„Gespräche und Zeit mit den Heimbe­woh­nern sind mein eigent­li­cher Antrieb, meinen Beruf sehr gerne auszuüben“, sagt Ferdi Cebi. Die Weisheit einer alten Dame habe ihm auch schon privat weiter­ge­hol­fen. Er verar­bei­tet das Erlebte auch in seiner Musik und setzt sich öffent­lich für das Thema ein. Er sei über den Zivil­dienst im St. Johan­nis­stift Paderborn überhaupt auf die Idee gekommen, Alten­pfle­ger zu werden und mache dies aus ganzem Herzen: Dort arbeitet er heute immer noch. Vor seiner Ausbil­dung habe er ursprüng­lich etwas Techni­sches lernen wollen. Cebi ist 1981 geboren, hat eine Lebens­ge­fähr­tin und zwei Kinder.

Mit diesem Artikel nehmen wir wieder Pflege­fahrt auf, werden unsere hausei­ge­nen Experten befragen und Wissens­wer­tes über Pflege­pro­jekte vorstel­len.

Wibke Roth

Ich heiße Wibke Roth.  Und ich arbeite am liebsten schreibend und schwitzend – in die Tasten hauend und als Fitness-Trainerin. Man könnte auch schreiben: Wenn ich Texte verfasse, erfasse ich die Welt. Wenn ich andere in Bewegung bringe, erlebe ich sie. Meistens bewege ich mich übrigens mit. Ich kann nicht anders. Manchmal gerate ich jedoch auch beim Schreiben ins Schwitzen: je nach Temperatur, Thema und Terminfrist. Wenn mein Sportsgeist außer Atem kommt, haue ich auch gerne einfach `mal ab – in die Berge, ans Meer oder in den Wald. Wenn davon nichts in Sicht ist, haue ich mich einfach aufs Ohr. Das ist sehr gesund und besser als draufloszuhauen – also wild schreiend; dann doch lieber schreibend in die Tasten.

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