Optimierte Selbstdarstellung – ist die Realität nicht ausreichend?
Sie „shooten“ an den schönsten Stränden, essen in den teuersten Restaurants, trinken ihren Matcha Latte in den angesagtesten Cafés und tanzen auf den begehrtesten Partys. Dazu haben sie ein makelloses Gesicht und den „perfekten“ Körper.
Influencer sind aus unserer heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Täglich werden wir – ob gewollt oder ungewollt – mit ihrem „Content“ konfrontiert. Wer da nicht eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein hat und eine klare Grenze zur realen Welt zieht, läuft schnell Gefahr, sich selbst in all dem Glanz und Glamour zu verlieren. Die Initiative „bauchgefühl“ wurde ins Leben gerufen, um durch Informationen und Sensibilisierung dem Krankheitsbild Essstörungen vorzubeugen. Mit Schüler-Workshops an Berufsschulen und in der Sekundarstufe 1, wird insbesondere die Risikogruppe der Schülerinnen und Schüler für dieses Thema sensibilisiert und über die Unterschiede zwischen virtueller und realer Welt aufgeklärt. “bauchgefühl” ist eine Initiative der BKK Landesverbände sowie des BKK Dachverbandes, die durch das Team Gesundheit umgesetzt wird.
Auf Instagram stalke ich hauptsächlich
„Auf welchen Social Media Plattformen seid ihr aktiv und wozu nutzt ihr diese hauptsächlich?“, lautet die Einstiegsfrage des Workshops zur Selbstinszenierung und Selbstoptimierung. Dieser wird in allen Klassen der imland Pflegeschule Rendsburg im Rahmen von „bauchgefühl“ durchgeführt. Youtube, Instagram und Facebook machen das Rennen in den meisten Klassen. In jüngeren Schulklassen ist auch Snapchat beliebt. „Instagram nutze ich hauptsächlich zum Stalken“, berichtet eine Schülerin, woraufhin die Klasse lacht. Doch das war keinesfalls ein Witz. In der Tat scrollen sie teilweise stundenlang durch verschiedene Accounts der Plattform oder schauen sich diverse Stories an. Viele nutzen Instagram auch, um sich Inspirationen zu holen: von Koch-Rezepten über Tattoo-Vorlagen und Trainingsplänen bis hin zu Schmink- und Körperpflege-Tipps. Es gibt nichts, was es dort nicht gibt.
Negative Effekte von Social Media
Doch was passiert, wenn man tagtäglich mit dem „perfekten“ Leben anderer konfrontiert wird? Darauf sollen die Schülerinnen und Schüler in einer Gruppenarbeit selbst Antworten finden. Selbstzweifel und Minderwertigkeitskomplexe sowie eine negative Wahrnehmung des eigenen Körperbildes sehen die Kleingruppen als Folge. Ebenso würden Neid, das Gefühl von Einsamkeit und eine allgemeine Unzufriedenheit eine Rolle spielen.
Aufbauend auf der Gruppenarbeit wird den Klassen die #StatusofMind-Studie vorgestellt, in der knapp 1.500 britische Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren zu den Auswirkungen von Social Media auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit befragt wurden. Neben den bereits genannten Aspekten, listet die Studie „the Fear of Missing Out“ (die Angst, etwas zu verpassen), eine veränderte Wahrnehmung des eigenen Körperbildes, depressive Verstimmungen, Cybermobbing sowie Schlaflatenz als weitere negative Effekte von Social Media auf.
Die Gruppenarbeit sowie die Studie verdeutlichen den Schülerinnen und Schülern, dass die Selbstinszenierung vieler Influencer nicht spurlos an uns vorbeigeht. Dass aus der möglichen Unzufriedenheit über das eigene Aussehen, das eventuell nicht dem aktuell als „optimal“ vorgelebten Schönheitsideal entspricht, und einem mangelnden Selbstwertgefühl im Ernstfall eine Flucht in eine Essstörung resultieren kann, soll hier nochmals hervorgehoben werden. Die Jugendlichen aus den Klassen berichten selbst von Betroffenen aus ihren Bekanntenkreisen, bei denen sie Veränderungen im Essverhalten aufgrund der ständigen Konfrontation mit Influencern beobachten konnten.
Die Jagd nach dem besseren Ich
Ähnlich wie mit dem Thema Selbstinszenierung, verhält es sich mit dem der Selbstoptimierung: „Die Jagd nach dem besseren Ich“, lautet der Leitsatz der zweiten Hälfte des Schüler-Workshops. Immer müssen wir noch besser, schneller, schlanker und schöner werden. In einer Zeit, in der Dank der Digitalisierung nahezu nichts mehr nicht gemessen und quantifiziert werden kann, birgt auch das sogenannte „Selftracking“ ein gewisses Risiko für die Entstehung von essgestörtem Verhalten. Schritte werden gezählt, Kalorien getrackt, Schlafphasen gemessen – wo soll das noch hinführen? Dass wir uns Menschen und das, was wir individuell verkörpern, nicht immer in Zahlen ausdrücken können (und sollen), wird den Schülerinnen und Schülern im Rahmen der zweiten Gruppenarbeit vermittelt. „Was macht einen Menschen aus?“, lautet hier die zentrale Frage, zu der die Jugendlichen ihre Ideen auf einem Flipchart festhalten sollen. Für sie ist klar: ihren besten Freund oder ihre beste Freundin würden sie nie anhand von quantifizierbaren Daten beschreiben. Empathie, Ehrlichkeit, Vertrauen, Loyalität, Stärken und Schwächen sowie ein respektvoller Umgang miteinander seien hier viel wichtiger.
Es gibt auch ein Leben fernab von Social Media
Social Media und Selftracking-Apps sind aus unserer heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Und sollen sie auch gar nicht. Doch eine gewisse Selbstreflektion im Umgang mit den verschiedenen Plattformen und den möglichen Auswirkungen auf das eigenen Verhalten ist unabdingbar, um dauerhaft gesund zu bleiben und nicht das eigene Ich zu verlieren. Zu diesem Fazit kommen auch die Schülerinnen und Schüler am Ende des Workshops. „Es tat gut, die Gefahren von Social Media noch einmal aufgezeigt zu bekommen“, resümiert ein Schüler des 3. Ausbildungsjahres. Zwar würde man sie insgeheim schon kennen, doch ein Refresher habe noch niemandem geschadet und schon gar nicht den jüngeren Klassenkameraden. „Der Workshop hat mir klar gemacht, dass ich meinen eigenen Konsum mal wieder etwas reduzieren sollte. Es gibt auch ein Leben fernab von Social Media“, meldet sich eine weitere Schülerin zu Wort. Bei ihr hat der Workshop augenscheinlich zu einer ersten Selbstreflektion geführt. Ein wichtiger Schritt, um mit einem guten Bauchgefühl in der Realität zu bleiben.
Weitere Infos zu Bauchgefühl: https://www.bkk-bauchgefuehl.de/die-initiative/