Herdvoll: Über das Glück auf vier Platten

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Gestern hatte ich es wieder: ein kurzes Stück vom Glück. Dieses Gefühl der Vorfreude, wenn ein Gericht die Zeit stehen lässt, in Zeitlupe letzte Zutaten wie Ziegen­käse und Koriander die brodelnde Tomaten­sauce verfei­nern, die Zunge ein drittes und viertes Mal von der Kompo­si­tion kostet, der Dampf der heißen Kost die Fenster erblinden, die Kehle summen und das Herz irgendwie freud- und fried­vol­ler schlagen lässt. Stehen Partner oder Kinder daneben gilt: Geteilte Genuss­probe ist doppeltes Glück. Irgendwie dehnt sich die Zeit im Küchen­k­os­mos aus, wenn wir mit ganzem Herzen und allen Sinnen am Herd stehen, so als würden die Moleküle von Kräutern, Gemüse, Gewürzen mit Liebe, Leiden­schaft und Zeitlo­sig­keit zu einem eigenen Aroma verschmel­zen: ein Aroma der Sinnhaf­tig­keit. Oder, wie es eine Beken­ne­rin des guten Geschmacks schreibt:

Eine Liebes­er­klä­rung an das Kochen, an das gute Essen und an wunder­bare Köchinnen und Köche

 

„Zu sehen, wie der Zucker langsam schmilzt und Blasen wirft, erst hell, dann bernstein­far­ben, schließ­lich karamell­braun. Und diesen Karamell mit Butter zu einer Soße zu verrühren, mit fein geschnit­te­nen sauren Äpfeln und Blätter­teig zu belegen und das Ganze im Ofen zu backen, bis der Duft fast unerträg­lich wird. … Oder der Trick, ein paar Möhren in Scheiben zu schneiden, sie erst zu kochen und dann zu braten, bis sie wie der Kompa­ra­tiv einer Möhre schmecken. Sie dann mit gebra­te­nen Zwiebeln zu verrühren, mit Koriander, Zimt, Kreuz­küm­mel und griechi­schem Joghurt.

All das ist so überhaupt nicht sinnlos.

Es macht mich ruhig, Berge von Möhren in dünne Scheiben zu schneiden. Und ich komme endlich wieder mit der Magie der Natur in Kontakt, die ich als durch­schnitt­lich lebender Stadt­mensch mit dem Ende meiner Kindheit hinter mir gelassen habe. In der Küche aber, wenn ich Papri­ka­ge­häuse von ihren Samen putze oder eine Zwiebel schneide, merke ich endlich wieder, dass ich auf einem potenten Planeten lebe. Dazu kommt, dass das Kochen in meinem Leben zu den letzten Inseln der Handar­beit gehört. Ich sitze ja sonst immer nur am Schreib­tisch und tippe Texte, keine Tätigkeit, die die Sinnlich­keit fordert und fördert. Beim Kochen dagegen ist ständig mein ganzer Körper beschäf­tigt. Ich knete Teige, mit all der Kraft, die ich in mir habe. Ich verbrenne mir die Finger. Ich probiere. Es duftet. Es zischt.“ Diese Passage stammt von der Autorin und Journa­lis­tin Okka Rohd. Dass sie leiden­schaft­lich kocht, haben Sie gerade gelesen. Ihr Blog hieß Slomo – die Abkürzung von Slow Motion. Der hieß so, weil sie – zu diesem Zeitpunkt hochschwan­ger – nur sehr langsam durchs Leben gehen konnte. Die Liebes­er­klä­rung ans Kochen hat sie 2017 in ihrem Buch in einem Wort zusam­men­ge­fasst: Herdwärme.

Wichtige Zutaten, die hängen bleiben

 

Drei Worte daraus sind bei mir besonders hängen geblieben:

  • Ruhig (werden),
  • Handar­beit und
  •  Natur­kon­takt.

Kann es sein, dass dieses konzen­trierte Slowmotion-Arbeiten am Herd mit dem, dessen Teil wir sind, dieses kurze Glück durch das vorhin beschrie­bene Zeitdeh­nungs­ge­fühl verschafft? Es ist an dieser Stelle nicht die Wissen­schaft­lich­keit oder das journa­lis­tisch Belegbare, das ich an dieser Stelle mit dieser Frage herauf­be­schwö­ren möchte, sondern eine Frage, die ich Ihnen als Leserin­nen und Leser ans Herz legen möchte, wenn Sie nicht eh‘ im Garten­land­schafts­bau, als Schrei­ne­rin­nen und Schreiner, Förste­rin­nen und Förster oder als Zen-Meister unterwegs sind.

Slow Food, die Natur und die Ernäh­rungs­wende

 

Wenn uns dieses Quäntchen Glück durch eine Portion langsam Selbst­ge­mach­tem serviert wird, kommen wir nicht umhin, uns kurz mit Slow Food (engl. slow ‚langsam‘ und food ‚Essen‘) zu befassen. So heißt die gleich­na­mige Organi­sa­tion. Sie steht synonym als Begriff für genuss­vol­les, bewusstes und regio­na­les Essen und als Gegen­be­we­gung zum uniformen und globa­li­sier­ten Fast Food. Der Gründer und inter­na­tio­nale Vorsit­zende Carlo Petrini definierte 2006 die Grund­be­griffe der „Neuen Gastro­no­mie“ als Maßstab: Buono, pulito e giusto (ital. gut, sauber und fair); keine dieser Zutaten dürfe fehlen, wenn jemand echtes Slow Food essen will.

In Deutsch­land hat Dr. Ursula Hudson als Vorsit­zende von Slow Food Deutsch­land und als Vorstands­mit­glied von Slow Food Inter­na­tio­nal maßgeb­lich dazu beigetra­gen, Slow Food eine relevante Stimme und politi­sche Ausrich­tung zu verleihen (…). Bis zu ihrem Tod am 10. Juli 2020 ist sie für den Verein in Deutsch­land, auf EU-Ebene und inter­na­tio­nal äußerst aktiv gewesen. Der gleich­na­mige Preis ist in diesem Jahr erstmalig zu Ehren der Aktivis­tin verliehen worden. Die Preis­trä­ge­rin heißt Elisabeth Schmelzer. Sie hat, so die Laudatio, „in den vergan­ge­nen 20 Jahren einen fantas­ti­schen Gemein­schafts­gar­ten und den Verein Green­Fair­Planet aufgebaut – ein aktiver Mitstrei­ter der Ernäh­rungs­wende“. Ein Lieblings­ge­richt habe sie nicht, erklärt sie auf Nachfrage bei der Preis­ver­lei­hung. Sie schreibt in dem Artikel, dass sie alles liebe, was mit guten Lebens­mit­teln, bio und fair und mit Liebe zuberei­tet sei.

So kommen wir zurück auf Start und zu einem Ausblick: Glück kann so einfach sein, wenn man es denn lässt. Die Wertschät­zung Lebens­mit­teln gegenüber kann ein wahrer Glücks­trei­ber für eine ganze Gesell­schaft sein. Schmelzer, die seit 20 Jahren eng mit verschie­de­nen Slow Food Youth-Gruppen zusam­men­ar­bei­tet, sagt im Zuge der Preis­ver­lei­hung: „Für die Zukunft der Ernährungswelt ist wichtig, dass an Kindergärten, Schulen oder Jugendhäusern eigene Garten­pro­jekte entstehen, in denen Kinder Gemüse anbauen, zuberei­ten und gemeinsam essen. Dies hilft nicht nur gegen Fehlernährung, sondern führt auch zu einem anderen Denken und zur Wertschätzung der Lebens­mit­tel.“ Glück wächst eben nah am Boden und am Herd. Wer’s dabei langsam angehen und die Moleküle in der Küche flirren lässt, darf sich auf deftige Sinnhaf­tig­keit freuen, die Zunge über den Mund fahren lassen und die Finger lecken. Man denke nur an lang geköchelte Tomaten­sauce. Das mit den Möhren wusste ich übrigens noch nicht. Ich werde diese Inspi­ra­tion nächstes Mal mitnehmen: zum Glück an die vier Platten.

Entschleu­nigte Ernährung: Haben Sie Zeit für ein Glücks-AGE?

 

Ich lasse Sie an dieser Stelle nicht ausstei­gen, ohne Ihnen noch ein paar Inspi­ra­tio­nen für die prakti­sche Umsetzung mitzu­ge­ben. Versuchen Sie dieses Glücks­re­zept doch einmal mit in Ihre Routinen zu imple­men­tie­ren. Vielleicht wird es ja bald eine neue Routine. Wenn Sie sich Zeit für die Rezept­aus­wahl nehmen, gehen Sie schon in die langsa­mere Richtung. Sie können ja erst einmal mit einem Slow-Food-Tag pro Woche beginnen. Im Hinter­kopf haben Sie diese drei Überschrif­ten:

Achtsam­keit (A)
Nehmen Sie sich bewusst Zeit für die Zutaten, die in ihrem Rezept stehen. Achtsam­keit bringen Sie dabei besten­falls auch für die Regio­na­li­tät und Saiso­na­li­tät von Gemüse und Früchten mit.

Genuss (G)
Erleben Sie den Einkauf mit allen Sinnen: Riechen und fühlen Sie. Und vielleicht dürfen Sie ja auch eine Kostprobe von dem Lebens­mit­tel Ihrer Wahl nehmen.

Entspan­nung (E)
Nehmen Sie sich Zeit für die Zuberei­tung und fürs Essen. Schließen Sie dabei doch die Augen und fühlen die Konsis­tenz Ihrer Lebens­mit­tel bewusst auf der Zunge.

Dann kommt die Entschleu­ni­gung vielleicht viel schneller, als Sie gedacht haben. Viel Freude beim Nachemp­fin­den!

Wibke Roth

Ich heiße Wibke Roth.  Und ich arbeite am liebsten schreibend und schwitzend – in die Tasten hauend und als Fitness-Trainerin. Man könnte auch schreiben: Wenn ich Texte verfasse, erfasse ich die Welt. Wenn ich andere in Bewegung bringe, erlebe ich sie. Meistens bewege ich mich übrigens mit. Ich kann nicht anders. Manchmal gerate ich jedoch auch beim Schreiben ins Schwitzen: je nach Temperatur, Thema und Terminfrist. Wenn mein Sportsgeist außer Atem kommt, haue ich auch gerne einfach `mal ab – in die Berge, ans Meer oder in den Wald. Wenn davon nichts in Sicht ist, haue ich mich einfach aufs Ohr. Das ist sehr gesund und besser als draufloszuhauen – also wild schreiend; dann doch lieber schreibend in die Tasten.

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