Was ist das und wie geht man damit um?
Ich gucke mir selbst dabei zu, wie ich immer und immer wieder über meine Belastungsgrenze hinausgehe – und das finde ich gut! Denn damit erreiche ich ein Ziel: Ich werde gemocht und geliebt. Zumindest ist das mein Wunsch und Antreiber hinter meinem Verhalten.
Ein Bedürfnis des Menschen will gestillt werden und unsere veränderte Arbeitswelt bietet die beste Plattform für dieses Verhalten.
Was auf den ersten Blick völlig absurd klingt, ist in der heutigen Arbeitswelt gang und gäbe. Wir sprechen hierbei vom Phänomen der „interessierten Selbstgefährdung“. Dieses Verhalten hat seit Einführung der coronabedingten vermehrten Homeoffice-Tätigkeit noch stärker zugenommen. Wir sind bereit, Überstunden zu machen, arbeiten am Wochenende oder zum Teil sogar im Urlaub. Dabei verlieren wir unsere eigenen Bedürfnisse aus den Augen, gefährden ganz bewusst unsere Gesundheit. Und überschreiten zum Teil massiv unsere eigenen Belastungsgrenzen.
Auch im privaten Umfeld kann es zu diesen Verhaltensweisen kommen. Man engagiert sich immer und überall. Macht es Familie, Freunden und auch entfernten Bekannten immer recht oder versucht es zumindest. Auch das Engagement im Rahmen von Ehrenämtern reiht sich in die vielen To-do´s ein, die man sich vornimmt, um sein Ziel zu erreichen.
Welche Gründe gibt es?
- Fehlende Entgrenzung. Fließender Übergang durch Homeoffice-Tätigkeit. Durch die Homeoffice-Tätigkeit entsteht häufig ein fließender Übergang zwischen Arbeit und Freizeit bzw. die Schwierigkeit des Loslassens und des offiziell „Feierabend machen“.
- Angst vor Arbeitsplatzverlust. Vielleicht war das Unternehmen in Kurzarbeit und die Ungewissheit über eine weitere pandemische Lage zeigt ihre Wirkung.
- Zielbasiertes Management. Der Erfolg der eigenen Arbeit wird nur an Zahlen und erreichten Zielen gemessen. Um die wöchentliche Quote einzuhalten, tut man alles dafür. Man möchte gut dastehen, den Vorgesetzten gefallen und für seine Leistung honoriert werden. „Ich will erfolgreich sein“.
- Gemocht und geliebt werden. Sowohl im beruflichen als auch privaten Umfeld möchten wir einfach nur dazugehören und gemocht werden. Deshalb neigen wir dazu, es immer allen recht zu machen. Die eigenen Bedürfnisse stellen wir bewusst in den Hintergrund.
Erkennen Sie sich wieder? Sind Sie selbst von diesem Phänomen betroffen? Oder sind Sie Führungskraft und stellen immer wieder fest, dass Ihre Beschäftigten eine hohe Anzahl an Überstunden haben und dazu neigen, auch krank am Arbeitsplatz zu erscheinen? Fördern Sie indirekt dieses Verhalten, weil Sie den Druck weiter „nach unten“ reichen, die Zahlen stimmen müssen und eine ständige Erreichbarkeit recht praktisch ist?
Langfristig wirkt sich dieses Verhalten auf unser physisches und psychisches Wohlbefinden aus. Wer hier nicht auf sich selbst oder seine Mitarbeiter:innen achtet, wird über kurz oder lang ein ernsthaftes Problem haben.
Mögliche Folgen interessierter Selbstgefährdung:
- Schlafprobleme
- Kopfschmerzen
- Unlust und innere Leere
- Stimmungsschwankungen
- Erschöpfung
- Burnout / Depression als mögliche Langzeitfolge
Seien Sie also achtsam mit sich selbst oder ihrem Umfeld. Viele Überstunden, fehlende Pausenzeiten und die ständige Erreichbarkeit sind kein Zeichen guter Führung oder einer gesunden Unternehmenskultur.
Natürlich können wir den Staffelstab nicht einfach aus der Hand geben und unserer Führungskraft alleinig die Verantwortung für uns und unsere Gesundheit geben. Nein, wir sind selbst maßgeblich dafür verantwortlich. Es liegt also an uns mit Körper und Seele gut umzugehen. Und sind wir doch mal ehrlich, würde jemals eine Halbzeitpause im Fußball, Handball oder irgendeiner anderen Sportart infrage gestellt? Würde man jemals in einer Theatervorstellung seine Eintrittskarte zurückverlangen, weil sich der Vorhang für eine kurze Pause schließt? Nein!
Dann lade ich Sie nun herzlich ein, über Ihre eigenen Verhaltensweisen sich selbst oder Ihren Mitarbeiter:innen gegenüber nachzudenken. Und lügen Sie sich bitte nicht an!
4 Tipps für Führungskräfte
- Stellen Sie nicht alleinig die Ziele in den Vordergrund der Mitarbeiterführung. Hinterfragen Sie Ihren Führungsstil und gegebenenfalls die Führungskultur des Unternehmens.
- Gehen Sie bewusst mit sich und Ihrer eigenen Gesundheit um – Sie sind ein ständiges Vorbild!
- Fördern Sie eine offene Kommunikation und das beidseitige Einhalten von Regeln. Überprüfen Sie regelmäßig die gegenseitigen Erwartungen.
- Suchen Sie sich Hilfe, wenn Sie nicht wissen, wie Sie mit psychisch belasteten oder auffälligen Beschäftigten umgehen sollen. Sie haben mit Sicherheit einen Betriebsrat oder ein betriebliches Gesundheitsmanagement. Auch die Personalabteilung kann eine Anlaufstelle sein.
5 Tipps für Betroffene
- Hinterfragen Sie Ihr Verhalten. Was treibt Sie an und wie möchten Sie mit Ihrer Gesundheit umgehen?
- Ihre Gesundheit sollte an erste Stelle.
- Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst und unternehmen Sie Dinge, die Ihnen Spaß machen. Zu anderen Nein sagen kann Ihnen dabei helfen.
- Nehmen Sie die Pausen wahr, die Ihnen als Arbeitnehmer:in zustehen. Auch im Feierabendbereich sind regelmäßige Auszeiten und ein bewusstes Entspannen wichtig.
- Wenn Sie krank sind, sind Sie krank. Erholen Sie sich ausreichend. Das steht Ihnen zu!
Seien Sie achtsam mit sich selbst! Sie haben nur ein Leben. Machen Sie das Beste daraus.
Werden Sie aktiv
Möchten Sie Ihre Themen ernst nehmen und nachhaltig für eine gesunde Unternehmenskultur sorgen? Benötigen Sie noch Hilfe beim Umgang mit psychisch belasteten Beschäftigten oder bei der grundsätzlichen Wissensvermittlung und Akzeptanz dieser sensiblen Herausforderungen? Gerne unterstützen wir Sie. Ob mit kleinen Maßnahmen oder einer umfassenden Beratung, wir starten an dem für Sie wichtigsten Punkt und schauen uns gerne gemeinsam Ihre Ziele an.