Im September startete unser Projekt „Hand in Hand – Gewaltfrei in der Pflege“ in drei Einrichtungen des ASB-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern e.V. „Ein achtsames und wertschätzendes Miteinander sollte in der Pflege eine Selbstverständlichkeit sein“, betont Antje Laurischkat, Projektverantwortliche der BKK Mobil Oil, von der „Hand in Hand“ gefördert wird und formuliert damit zugleich das übergeordnete Ziel der Kampagne. Nun ging es mit der Umsetzung der Maßnahmen zur Gewaltprävention los. Den Auftakt bildete nach einem ersten einrichtungsübergreifenden Austausch aller Verantwortlichen, eine zweieinhalbtägige Multipliklatorenschulung zum Konfliktmanagement.
Eine Frage der Definition
„Was verstehen wir unter Gewalt?“, lautete die Einstiegsfrage des Referenten Michael Jung-Lübke. Der Fachberater für Deeskalation und Selbstbehauptung blickte zunächst in fragende Gesichter. Es folgten verschiedene Definitionsvorschläge der Teilnehmenden. Und am Ende die Erkenntnis: „Nur ich kann sagen, was für mich selbst Gewalt ist“. Denn jeder Mensch hat für sich eigens festgelegte, individuelle Grenzen. Werden diese überschritten, erlebt es die eine Person als Gewalt, während eine andere Person die gleiche Situation möglichweise ganz anders empfinden würde. „Die Definitionshoheit bei Gewalt hat somit immer die oder der Betroffene“, so Jung-Lübke.
Deeskalation im Fokus
Gerade im Bereich der Pflege ist Gewalt keine Einbahnstraße. Die zu Pflegenden, ihre Angehörigen sowie die Pflegekräfte selbst können allesamt Empfänger, aber auch Verursacher von Gewalt sein. Um das zufriedene Miteinander aller in den Einrichtungen zu fördern, beschäftigten sich die Mitarbeitenden aus Pflege, Betreuung und Ergotherapie in der Schulung mit dem Thema Deeskalation. „Es ist toll, dass Gewalt in der Pflege nun kein Tabuthema mehr ist, sondern offen darüber gesprochen wird“, stellte Ines Grünwald, Pflegedienstleitung der Einrichtung aus Schwaan und selbst Teilnehmende an der Schulung, begeistert fest. Während es am ersten Tag der Multiplikatorenveranstaltung vorrangig um die Vermittlung von Grundlagenwissen und Handlungsansätzen rund um das Thema Prävention von Aggression und Gewalt ging, wurde am zweiten Tag der Fokus auf die verschiedenen Stile zur Konfliktlösung gelegt. Die Teilnehmenden lernten dabei u.a. die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation nach M. Rosenberg kennen. Demnach soll eine Person, die sich in einem Konflikt befindet, zunächst lediglich ihre Beobachtung widergeben – und zwar frei von Wertung. Im nächsten Schritt horcht sie in sich selbst hinein und schildert ihre Gefühle. Daraufhin soll sie sich die Frage stellen, welche ihrer Bedürfnisse wohl dahinterstecken könnten. Zum Abschluss der von ihr wahrgenommenen Konfliktsituation äußert sie eine Bitte, keine Forderung. Jung-Lübke betonte hierzu: „Wenn ich eine Bitte äußere, muss ich auch ein Nein akzeptieren können“. „Die Schritte der gewaltfreien Kommunikation waren sehr einprägsam“, erläuterte Pflegedienstleitung Grünwald nach der Schulung, „wir können diese wirklich direkt in die Praxis umsetzen.“
Auch die Übungen zur Selbstbehauptung, die Jung-Lübke im Laufe der Schulung immer wieder einbaute, stießen auf große Begeisterung seitens der Teilnehmenden. Wie verhalte ich mich, wenn mich ein Bewohnender am Arm packt? Wie löse ich mich aus einem Würgegriff? In Zweier-Teams durften die Teilnehmenden verschiedene Techniken ausprobieren und waren erstaunt, wie leicht man sich aus derartigen Gewaltsituationen befreien kann: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Griff so schnell lösen kann“, staunte eine der Mitarbeitenden aus der Pflege, „und das ohne den anderen dabei zu verletzen!“.
Mit den Angehörigen an einem Strang ziehen
Der letzte Schulungstag wurde mit dem Transfer des bisher Gelernten in den Betrieb abgerundet. Denn dies ist das große Ziel: eine innerbetriebliche Gewaltprävention in den Einrichtungen zu etablieren. Grünwald sieht ihre Mitarbeitenden bereits auf einem guten Weg dahin: „Sie sind sensibler geworden“. Das stimmt die Pflegedienstleitung zuversichtlich, dass schon bald ein noch entspannterer Ton in den Einrichtungen herrschen werde. „Es wäre toll, wenn man die Mitarbeitenden dahinbewegen könnte, dass sie auch mal andere Wege im Umgang mit den Bewohnenden einschlagen, neue Wege.“ Gleichzeitig sollen sie mehr Selbstvertrauen gewinnen, offener mit Gewalterfahrungen umzugehen und darüber zu sprechen. So, wie bereits in der Schulung, in der trotz der Schwere einiger Inhalte auch der Spaß nicht verloren ging: „Obwohl das Thema sehr ernst ist, kam der Humor nicht zu kurz und es wurde viel gelacht“, resümierte Grünwald die gelungene Multiplikatorenveranstaltung.
Parallel zu dieser fanden bereits die Angehörigenvorträge in den Einrichtungen statt, um auch diesen Personenkreis für das Thema zugänglicher zu machen und mit ins Boot zu holen. „Mit den Angehörigen an einem Strang zu ziehen ist uns ein großes Anliegen“, so Grünwald.
Reflexion, Ausblick und Kreativwerkstätten
Im Januar geht es für die Mitarbeitenden mit dem nächsten Projektbaustein von „Hand in Hand“ weiter: in einem Workshop zum Praxistransfer werden die Teilnehmenden gemeinsam mit Jung-Lübke und der Projektverantwortlichen von uns über den bis dahin erfolgten Stand der Umsetzung sprechen. Was hat sich in der Zwischenzeit in den Einrichtungen getan? Wie gut klappt es mit der Anwendung der erarbeiteten Handlungsleitlinien? Wo besteht weiterer Vertiefungsbedarf? Auch wird in diesem Workshop gemeinsam ein Leitfaden zur Gewaltprävention befüllt, der in der Einrichtung verbleibt und eine bleibende Hilfestellung bietet.
Im März folgt dann mit den Kreativwerkstätten unter der Leitung einer erfahrenen Kunsttherapeutin das nächste Highlight des Projektes. Gemeinsam und kunstvoll werden Bewohnende, Angehörige und Mitarbeitende den Ansatz der verbindenden Kommunikation erfahren. So entstehen für jede Einrichtung individuelle Kunstwerke, die für ein wertschätzendes Miteinander sensibilisieren sollen und auf die alle Projektbeteiligten schon sehr gespannt sind.
Starke Partner und Maskottchen
„Wir freuen uns, Teil eines so wichtigen Projekts sein zu können“, freut sich Laurischkat von der BKK Mobil Oil. Mit der von der Mobil Oil geförderten begleitenden Medienkampagne soll die Gemeinschaft in den Einrichtungen weiter fokussiert werden. Für Mitarbeitende, Bewohnende, Angehörige und weitere Interessenten gibt es Infokärtchen, Sticker und Buttons mit den Maskottchen von „Hand in Hand“. Anita Achtsam, Herr von Helfer, Kameradin Katharine und Rudi Respekt sollen mit ihren Attributen „Wertschätzung“, „Hilfsbereitschaft“, „Gegenseitiges Verständnis“ und „Konstruktive Kritik“ auf humorvolle Art und Weise das Miteinander in den Einrichtungen weiter stärken.
Wir sind gespannt, wie es „Hand in Hand“ weiter geht und freuen uns auf viele Erfahrungen auf diesem spannenden Themenfeld!
Haben Sie auch Interesse an diesem Projekt? Wir beraten Sie gerne! Schreiben Sie uns eine E‑Mail an service@teamgesundheit.de oder rufen Sie uns an: 0201 – 890 70 200.