Mehr Empathie- und Kommunikationsfähigkeit bitte!
Zu den bekannten Herausforderungen, mit denen sich Unternehmen aktuell konfrontiert sehen, z. B. Fachkräftemangel, Lieferkettenschwierigkeiten, Nachhaltigkeit und steigenden Energiekosten, kommt ein weiteres Thema hinzu: Führungskräfte und ihre Skills werden mehr denn je unter die Lupe genommen.
Dabei ist der Blick allerdings nicht auf ihre fachliche Kompetenz gerichtet. Ihre Soft Skills stehen im Fokus der Betrachtung. Wieviel Empathie- und Kommunikationsfähigkeit bringen die Führungskräfte von heute mit? Denn fest steht: Eine gute Menschenkenntnis ist selbstverständlich und Vertrauen ist die Basis einer guten Zusammenarbeit. Was auf den ersten Blick selbstverständlich wirkt, wird aktuell aber stark diskutiert. Es stellt sich die Frage, ob die Soft Skills über den Hard Skills stehen sollten, um Unternehmen langfristig zum Erfolg zu führen. Haupttreiber dieser Aussage ist die stark veränderte Arbeitswelt und die veränderten Anforderungen, mit denen sich Unternehmen auseinandersetzen müssen.
Über einem im Januar veröffentlichten Artikel des Harvard Business Managers1 prangt der Titel „Wie sieht der perfekte CEO aus?“. Er basiert auf einer Studie und beschreibt die Notwendigkeit von Soft Skills auf Top Management Ebene im Rahmen des Unternehmenserfolges. Der Hintergrund dieser Annahme, warum soziale Kompetenzen gefragter denn je sind, seien die beiden Hauptgründe Unternehmensgröße und Unternehmenskomplexität. Man gehe davon aus, dass Top Manager:innen, insbesondere in großen und komplexen Unternehmen, verstreutes Wissen zusammenführen müssen. Sie müssen mit heterogenen Teams arbeiten, ein wahres Beziehungsnetz knüpfen und pflegen. Außerdem stehen sie im ständigen Kontakt mit den unterschiedlichsten Interessengruppen.
Eine weitere Aussage des Artikels: „Unternehmen, die verstärkt auf Technologien zur Informationsverarbeitung setzen, brauchen heute in aller Regel Führungskräfte mit besonders ausgeprägten sozialen Skills. Eine wichtige Ursache dieser Veränderung ist die technologische Entwicklung: Wenn Unternehmen Routineaufgaben automatisieren, in welchen Bereichen auch immer, hängt ihre Wettbewerbsfähigkeit von Kompetenzen ab, über die Computersysteme nicht verfügen – etwa Urteilsvermögen, Kreativität und Sinneswahrnehmung“
Das lässt darauf schließen, dass wir bzw. Unternehmen um diese Thematik nicht drum herumkommen. Ich gehe in meiner Behauptung so weit, dass diese Tatsache, sobald sie den Mittelstand erreicht hat, zu einem Balanceakt werden kann. Wo häufig Personen anhand ihres Fachwissens Führungspositionen besetzen. Soft Skills spielen da noch eine eher untergeordnete Rolle.
Auch Themen, wie Diversität und Inklusion, fallen darunter. Dabei sollten sich gute Führungskräfte diesen gegenüberstellen bzw. sie als Teil ihrer Unternehmenskultur sehen. An diesen Stellen bedarf es ebenso ausgeprägter sozialer Kompetenzen. Voran gestellt wird hier auch die Theory of Mind.
Theory of Mind
Die Theory of Mind (kurz ToM genannt), beschreibt unter anderem die Fähigkeit sich in andere hineinzuversetzen und hat eine direkte Schnittmenge zum Begriff Empathie. „In Abgrenzung zur Empathie bezieht sich dieser Begriff der Perspektivenübernahme vorwiegend auf den kognitiven Prozess des Hineinversetzens in ein Gegenüber, nicht das Mitfühlen mit dem anderen. Der Ansatz der Theory of Mind bezieht sich demnach letztlich auch auf das Verständnis von Menschen für das Funktionieren des menschlichen Verstandes und den Einfluss, den dieser auf das jeweilige Verhalten ausübt.“2
Dem vorausgesetzt, dass man sich seiner eigenen Gefühle und Verhaltensweisen bewusst ist und entsprechende Erfahrungen gesammelt hat. Im Kontext des Themas Führung geht man davon aus, dass das „sich in andere Hineinzuversetzen und zu antizipieren“ elementare Schlüsselkompetenz ist. Wobei die Gefühlsebene und nicht ausschließlich kognitive Prozesse dieselbe Beachtung geschenkt bekommen sollte.
Der Vollständigkeit halber möchte ich mich nicht ausschließlich mit den Soft Skills von Führungskräften auseinandersetzen, sondern ebenfalls berichten, welcher Schwerpunkt noch diskutiert wird. Allein schon aus dem Interesse heraus, weil ich selbst Führungskraft bin. Sich aus dieser Perspektive mit der Thematik auseinanderzusetzen ist durchaus sehr spannend. Schließlich hat man eigenen Erfahrungen gemacht, eine Haltung dazu und bringt immer seine eigene Persönlichkeit im Rucksack mit. Neben Coaching und Seminaren, die man als Führungskraft selbst durchlaufen hat und auch regelmäßig durchläuft, stellen die Leitlinien eines Unternehmens einen kulturellen Aspekt dar und prägen zusätzlich das eigene Führungsverhalten.
Erfolgreiche Führung durch Resilienz
Wir ziehen von einer Krise in die nächste. Gefühlt gibt es keinen Stillstand, kein Ausruhen oder Durchatmen. Laut Frankfurter Zukunftsinstitut und seiner Studie „Zukunftskraft Resilienz – Gewappnet für die Zeit der Krisen“ kann der Erfolgsfaktor unter dem Stichwort der regelmäßigen Anpassung an eine beständige Unbeständigkeit verbucht werden. Wir müssen Chancen darin sehen, denn jeder Wandel, jede Veränderung bringt neue Möglichkeiten mit sich. Eine weitere spannende Aussage laut Studie ist „Die „Next Generation of Business“ zielt auf langfristiges Überleben – statt auf kurzfristigen Gewinn, sie denkt in Netzwerken und Ökosystemen statt in Ego-Systemen. Und sie agiert ganzheitlich und systemisch, um eine positive Wirkung auf die Welt zu erzeugen – statt ihr Wertversprechen nur in KPIs (Key Performance Indikator bzw. Leistungskennzahl) und Buyer Personas zu messen. Im Zentrum steht ein Wirtschaftsverständnis, das Unternehmen als das betrachtet, was sie im Kern sind: soziale Systeme.“3
Welche Auswirkungen hat das auf Führung? Ganz klar spielt hier das Thema Vertrauen eine große Rolle, ebenso die Abgabe von Verantwortung auf die Beschäftigten. Es wird gesagt, dass der CEO von morgen ein „Communicator-in-Chief“ ist. Er lässt Ideen aus der Belegschaft zu, er fördert diese und setzt sie im besten Fall auch um. Eine gesunde Fehlerkultur, die Förderung von Kreativität, weg vom Ich und hin zum Wir können der Erfolg innerhalb von Krisen sein – in denen wir uns seit nunmehr geraumer Zeit bewegen.
Nachgefragt – was sagen unsere Berater:innen zu diesem Thema?
Da wir uns in unserem Hause nicht nur mit unserem eigenen Führungsverhalten auseinandersetzen, sondern auch Unternehmen dahingehend beraten und coachen, interessiert mich unsere Haltung und Vorgehensweise natürlich sehr.
Meine Kollegin Silke Kleinschmidt, die von Hause aus Diplom-Psychologin ist und bei uns seit über 10 Jahren Führungskräftetrainings durchführt, habe ich zum Gespräch gebeten. Auf die Frage, wie sie die aktuell diskutierte Haltung zum Thema Soft Skills versus Hard Skills sehe, kam ein klare Aussage:
„Wenn wir als Dienstleister gesunde Führung vermitteln, ist es immer wieder wichtig zu betonen, dass das keine neue Art von Führung ist. In einem review („recht alt“ 2013 von Gregersen et. al.) wird schön gezeigt, dass das eigentliche Führungsverhalten aus klassischen Führungstheorien eins ist, was auch gesunde Führung ausmacht. Aus meiner Sicht ist der Unterschied vor allem, dass ich als Führungskraft Gesundheit bewusst mitdenke – bei meinen Beschäftigten und bei mir.
Die Bedeutung der Soft Skills taucht letztlich schon seit Jahren auf, insbesondere bei der Idee, dass die Führungskraft zusehends als Coach agieren muss. Ganz besonders beim Thema (agile) Teamarbeit.
Reinhard Sprenger, der gern als ein „Management Papst“ bezeichnet wird, geht auch auf systemische Elemente ein und bezieht sich u. a. auf die klassische Berateridee „Mein Job ist mich zusehends selbst überflüssig zu machen“. Zum Führen sollte ich also Dinge können, wie Selbstmanagement-Fähigkeiten, Selbstwirksamkeit, Konflikt- und Problemlösekompetenz zu stärken. Überflüssig bin ich als Führungskraft dennoch nicht. Ich trete in Erscheinung, wenn solche Probleme auftauchen/ Entscheidungen zu fällen sind, die an sich „nicht lösbar“ sind – also Verantwortung übernommen werden muss, die Beschäftigte nicht tragen können.“
Silke Kleinschmidt
Eine weitere Kollegin von mir, Anna Arendt, ebenfalls Diplom-Psychologin und in der Rolle als Leitung des Bereiches „Prävention in Lebenswelten & Pflege“ tätig, äußert sich ebenfalls sehr konkret zu diesem Thema bzw. ihrem Selbstverständnis von Führung. Anna ist bereits seit 2006 bei Team Gesundheit (zusätzlich ausgebildet in Bereichen wie systemische Beratung und Stressmanagement) und beschäftigt sich neben ihrer eigenen Rolle als Führungskraft ebenso seit vielen Jahren mit der Frage wie Arbeit, Organisation und Führung gesundheitsfördernd und erfolgreich zugleich gestaltet werden können.
„Ich verstehe meine Führungsrolle vor allem darin, gute und gesunde Arbeits- und Organisationsbedingungen zu schaffen, in denen sich jede einzelne Kollegin und jeder einzelne Kollege und auch das Team als Ganzes gut entfalten können. Dabei geht es mir im Fokus weniger um so etwas wie die ergonomische Arbeitsgestaltung, sondern vor allem darum, Wertschätzung, Unterstützung und Handlungsspielraum zu geben. Die gesundheitsförderliche Bedeutung dieser Faktoren sind in zahlreichen Modellen empirisch belegt. So findet man in der Arbeitspsychologie beispielsweise das Demand-Control-Support Modell (DCS-Modell; Karasek & Theorell, 1990) mit der aus meiner Sicht für Führungskräfte hochrelevanten Botschaft: wer viel Handlungs- und Entscheidungsspielraum sowie soziale Unterstützung (durch das Team und die Führungskräfte) erfährt, kann auch mit hohen Arbeitsanforderungen gut umgehen und erlebt weniger Stress. Und natürlich verlangt dies von den Führungskräften hohe soziale und kommunikative Fähigkeiten wie Zuhören, Empathie, Vertrauen, Partizipation. Darüber hinaus ist mein Anliegen, möglichst passende Aufgaben für die Talente jedes Beschäftigten zu finden, sodass ein Erleben von Sinn und Bestätigung durch die Tätigkeit unterstützt wird.
Auf Deine Frage zu den Führungskräften von heute, passen unsere drei Grundwerte ganz gut: Sie sollten agil, zielführend und wertschätzend sein. Das heißt, sie sollten in ihrer Rolle flexibel je nach Bedarf agieren und sich auf einer Bandbreite von Visionär:in, Entwicklungshelfer:in und Coach bis hin zu Grenzensetzer:in und Feuerlöscher:in bewegen können – je nachdem was Situation und Mitarbeiter:in gerade brauchen. Und im besten Fall macht diese Art der Führung auch der Führungskraft Freude und erfüllt sie.“
Anna Arendt
Ein wirklich spannendes Thema, welchem eine große Beachtung geschenkt werden sollte. An der Stelle auch noch ein Dank an meine Kolleginnen für das Gespräch.
Wie sieht es denn in Ihrem Unternehmen aus? Sind Sie selbst Führungskraft oder CEO? Setzen Sie sich regelmäßig mit Ihrem Führungsverständnis und Ihrer Rolle auseinander? Haben Sie gemeinsame Werte und Leitlinien definiert, die das Thema „Führung“ aufgreifen? Wenn nicht, wird es höchste Zeit.
In der Zwischenzeit habe ich ein paar kleine Tipps für Sie, die Sie im Alltag recht schnell und einfach umsetzen können. Möglicherweise müssen Sie dazu aus Ihrer Comfortzone heraus, aber hey – das ist Ihr Job!
6 Tipps zur gesunden Führung
Nur wer gesund mit sich selbst umgeht, kann gesundheitsfördernd führen!

WERTSCHÄTZUNG, ANERKENNUNG, LOB
Heute schon gelobt?
KOMMUNIKATION, KONTAKT
Heute schon miteinander gesprochen?
TRANSPARENZ, KLARHEIT, OFFENHEIT
Heute schon mit Informationen versorgt?
EHRLICHKEIT, INTERESSE, VERTRAUEN
Heute schon wahrgenommen und nachgefragt?
VORBILD
Heute schon blitzentspannt und Ressourcen gestärkt?
TEAMKLIMA
Heute schon für gute Stimmung gesorgt?
Umfassendes Wissen zu gesundheitsförderlicher Führung On Demand
Erleben Sie Silke Kleinschmidt in unserem Videotraining „Gesundheitsförderliche Führung“ und stärken Sie Ihre Führungskräfte im Umgang mit Ihren Beschäftigten.

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Mehr erfahren
1 Harvard Business Managers „Wie sieht der perfekte CEO aus?“. Verfügbar unter https://www.manager-magazin.de/harvard/fuehrung/social-skills-und-empathie-welche-faehigkeiten-ein-ceo-heute-braucht-a-46bfe42c-5cff-49f8-bf6f-ceeb7df113f3
2 Stangl, W. (2023, 10. März). Theory of Mind – Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https://lexikon.stangl.eu/511/theory-of-mind.
3 https://www.22316mag.de/2022/08/studie-next-generation-of-business-zielt-auf-resilienz/