Als er für sich und seinen Allerwertesten zwei Sitzplätze benötigte, um Platz zu nehmen, staunte ich noch. Das war vor 20 Jahren, als ich mir das Musical Hair in New York anschauen durfte. Und ich fragte mich damals, ob derjenige wohl doppelt zahlen musste. Heute würde ich gern wissen: Leben Sie noch? Haben Sie den Preis Ihrer Leibesfülle mit Diabetes bezahlt? Wieviel Lebenszeit hat sie das gekostet? Und wer zahlt diesen Preis? Ich meine: Wussten Sie, dass Sie zu viel Zucker mit ihrem Fertig-Food und Softdrinks in fulminanten Portionen aufgenommen haben? Was hat Sie davon abgehalten, einen anderen Way of Life zu leben? Was hat Sie dazu gebracht, diesen Lebensstil zu führen? Und konnten Sie abspecken, Ihr Leben selbst retten und wie viel Kraft hat Sie das gekostet? Wie haben Sie es geschafft, Ihr Verhalten zu verändern?
„Tödliches Übergewicht“ ist Teil unserer Sprache geworden
Leibesfülle trägt mittlerweile Namen wie Übergewicht, Adipositas oder Fettleibigkeit. Und diese Begriffe bringen statt rubenshafte Konnotationen krankhafte Assoziationen mit sich. Die USA haben zusammen mit China mehr Adipöse als in irgendeinem anderen Land auf der Welt, wobei krankhaftes Übergewicht am häufigsten in den USA vorkommt. Laut der bislang größten Adipositas-Studie sollen es weltweit 640 Millionen Adipöse sein. Die Studienergebnisse, die in dem Fachmagazin „The Lancet“ publiziert wurden, sind mit einer interaktiven Landkarte unterlegt. Eine dieser Erdkugeln dreht sich ausschließlich um die Leibesfülle der Extragröße: Diese Adipositas heißt tödliches Übergewicht.
Die Welle der Adipositas ist natürlich – wie bei allen Trends – auch nach Europa geschwappt. Deutschland liegt mit ihrer Leibesfülle europaweit im Mittelfeld. (Durchschnitts-BMI Frauen: 25,6/Männer: 27,1). In den Industrienationen sind die meisten Dicken in englischsprachigen Ländern anzutreffen.
Weniger Lebenszeit durch Diabetes
Nach der Low-Fat-Lüge, die ihren Ursprung in den USA nahm, und – ich nenne es ‘mal – dem Stadium der allmählichen Aufklärung einer Industrienation – ist klar: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Zucker und Diabetes – und kann mit Lebenszeitverkürzung enden. Laut Ärzteblatt hat sich die Zahl der diabetesbedingten Todesfälle zwischen 1990 und 2010 verdoppelt. Das Blatt bezieht sich auf Berichte von Wissenschaftlern des Deutschen Diabetes-Zentrums. Damit ist die Lebenserwartung für Menschen mit Diabetes im Durchschnitt um etwa fünf bis sechs Jahre kürzer als bei gleichaltrigen Personen ohne Diabeteserkrankung.
Hier ein paar Fakten:
- Diabetes mellitus ist die häufigste Stoffwechselerkrankung in den westlichen Industrienationen. (Stand: 2018/Diabetesinformationsdienst).
- Weltweit sind etwa 425 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt (Stand: 2017/Internationale Diabetes-Föderation).
- Der häufigste Diabetes-Typ ist mit über 90 Prozent weltweit der Typ‑2 (Stand: 2018/Diabetesinformationsdienst). Und etwa zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben einen Diabetes, die meisten davon Typ-2-Diabetes (Stand: 2018/Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes)
- Im Jahr 2013 sind schätzungsweise 5,1 Millionen Menschen weltweit und 620.000 Menschen in Europa an einem Diabetes beziehungsweise an diabetesbedingten Folgeerkrankungen gestorben (Stand: 2017/ Ärzteblatt mit Bezug auf DDZ).
- Im Alter von 80 Jahren ist das Typ-2-Diabetes-Vorkommen am höchsten.
- Aber: Es gibt eine Tendenz, dass mehr und mehr jüngere Menschen an Diabetes erkranken. (Stand: 2018/Diabetesinformationsdienst). Die Zeiten, in denen der Begriff „Altersdiabetes“ als Synonym für Diabetes-Typ‑2 verwendet wurde, sind passé.
Symptome bei Diabetes-Typ-2 nach Angaben der Deutschen Diabetes Hilfe
Häufig erkennen Ärzte nach Angaben der Deutschen Diabetes Hilfe Diabetes-Typ‑2 durch Zufall, denn der Beginn der Stoffwechselerkrankung komme oft schleichend und ohne Symptome. Genau das sei auch problematisch: Die fehlenden Symptome seien auch ein Grund, warum Diabetes-Typ‑2 im Durchschnitt erst acht bis zehn Jahre nach Ausbruch der Krankheit diagnostiziert werde, sodass bei der Diagnose meist bereits diabetische Folgeerkrankungen vorlägen. Diabetes-Typ‑2 trete meist nach dem 40. Lebensjahr auf. Zu den häufigsten Symptomen zählten:
- Häufig: Müdigkeit/Schlappheit
- Häufig: Infektionen
- Klassische bzw. bekannte Symptome wie häufiges Wasserlassen oder Durstgefühl seien eher selten.
Diabetes kostet Leben und Zeit
Der Musical-Zuschauer in New York wird mir keine Antworten geben können: Weder, ob er doppelt Eintritt gezahlt hat, noch, ober er überhaupt Diabetes-Patient ist. Und ich werde nicht erfahren, ob er, wenn er denn zuckerkrank war, an Diabetes und seinen Folgen verstorben ist. Der Musical-Besucher hat kein Gesicht. Er saß schließlich mit dem Rücken zu mir.
Tetje Mierendorf gibt Diabetes ein Gesicht
„Wussten Sie, dass Diabetes bis heute nicht heilbar ist?“, fragt Komiker und Schauspieler Tetje Mierendorf im dritten Video der Reihe „Diabetes kostet Lebenszeit“ der Deutschen Diabetes Hilfe. Er hat Diabetes-Typ‑2. Und auch, wenn er den „nie mehr richtig loswerde“: Nur mit der radikalen Veränderung seines Lebensstils sei er heute symptomfrei und nehme keine Medikamente mehr.
Ursprünglich hat er bei 1,97 Metern Körpergröße über 160 Kilogramm auf die Waage gebracht. Konkret hat er 68 Kilogramm abgenommen. Wie er es geschafft hat, sein Verhalten zu verändern? Insgesamt gab es drei Auslöser:
- Die Geburt seiner Tochter Emma im Jahr 2012,
- und im selben Jahr der Tod des Schauspielkollegen Dirk Bach hätten ihm nach Angaben seiner Agentur klargemacht, dass er von nun an Verantwortung tragen müsse. (Anmerkung der Redaktion: Dirk Bach ist mit 51 Jahren verstorben. Er war Diabetiker, übergewichtig und starb nach Angaben verschiedener Medien an Herzversagen.)
- Der Auslöser, wirklich etwas zu tun, sei indes ein Lebenserwartungstest im Internet gewesen, den Tetje im Jahr 2014 gemacht habe. Das Ergebnis: eine Lebenserwartung von zwei Jahren – der triftigste Grund, sein Leben zu ändern.
Über seine Gewichtsreduktion schrieb er das Buch „Halbfettzeit: Mein neues Leben ohne Rettungsringe“. Er muss wie andere Diabetiker auf Lebensumstellungskurs täglich etwas dafür tun, dass er symptomfrei und gesund bleibt: sich viel bewegen, Sport machen und sich gesund ernähren. Die fast 70 Kilogramm „sind eine unglaubliche, lebensbejahende Erfahrung“, schreibt er auf dem Portal seiner neuen Tätigkeit als Motivations-Redner (EAT-Akademie).
Eine Infosammlung zu Diabetes-Typ‑2, Aktuellem aus der Forschung, Grundlagen und Verbreitung finden Sie beim Diabetesinformationsdienst.