Im Interview mit Dr. Carsten Stephan
Unser Geschäftsführer steht in diesem Interview Rede und Antwort zu den Themen betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und mentale Gesundheit in der neuen Arbeitswelt. Erfahren Sie unter anderem, warum und wann BGM in der Unternehmensstrategie nicht fehlen darf. Und erhalten Sie Tipps, wie Arbeitgeber:innen auf aktuelle Herausforderungen reagieren können. Hören oder lesen Sie gern rein.
Überfordert uns die neue Arbeitswelt?
Der Krankenstand in Deutschland hat 2023 im zweiten Jahr in Folge einen neuen Höchststand erreicht. Auffällig dabei ist vor allem die Entwicklung psychischer Erkrankungen. Für mich Grund genug einmal genauer nachzufragen, woran das liegen kann und was Unternehmen tun können, um ihre Beschäftigten zu stärken. Daher begrüße ich unseren Geschäftsführer Dr. Carsten Stephan zum Interview.
Grundsätzlich glaube ich ja, dass Gesundheit schon immer wichtig war, das Bewusstsein dafür aber enorm gestiegen ist. In unserer Gesellschaft und auch in vielen Unternehmen können wir offener über solche Themen sprechen. Vor allem die mentale Gesundheit, ist zum Glück, zumindest an vielen Stellen kein Tabuthema mehr.
Aber natürlich haben sich auch die Anforderungen mit der Zeit verändert. Wir leben in einer Zeit rasanter Veränderungen. Digitalisierung, Dezentralisierung, ständige Erreichbarkeit – um nur einige zu nennen. Wir wissen aus Studien, dass heute zwei Drittel der Beschäftigten die Belastung deutlich spüren: Wir arbeiten mehr und enger getaktet, Stressfaktoren haben für viele von uns zugenommen – privat wie beruflich.
Und, ich glaube, uns allen ist klar: Wir können nicht nur leisten, sondern müssen die Akkus wieder aufladen, zum einen um produktiv zu bleiben aber auch, damit neue Ideen und Innovationen entstehen können.
Grundsätzlich ist es natürlich immer gut und wichtig die Beschäftigten im Fokus zu haben und optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen. Aber klar, es gibt natürlich auch bestimmte Anlässe, die einen besonderen Grund dafür geben: ein hoher Krankenstand zum Beispiel. Oder eine überdurchschnittliche Fluktuation oder unerklärliche Einbrüche in der Produktivität.
Aber ich denke, anstatt auf die klassischen Warnsignale zu warten, ist es gerade auch aus Managementperspektive immer sinnvoll, gerade dann, wenn es gut im Unternehmen läuft – sich zu fragen: was noch verbessert und optimiert werden kann. Nicht zuletzt durch ein gutes BGM kann das Unternehmen resilienter, also widerstandsfähiger gegenüber Krisen werden.
Gemeint habe ich in diesem Zusammenhang vor allem den Aspekt der psychologischen Sicherheit. Gerade die digitale Arbeitswelt und vor allem der stetige Wandel kann uns im wahrsten Sinne des Wortes über den Kopf wachsen. Die mentalen Anforderungen sind heute im Vergleich zu früher enorm hoch. Das, was unser Gehirn und damit einhergehend unsere gesamte Psyche aufgrund dessen leisten muss, ist wirklich außerordentlich. Hinzu kommen Aspekte wie Einsamkeit, Klimawandel, Pandemie, Krieg und so weiter.
Aus diesem Grund bedarf es gerade am Arbeitsplatz einer sicheren Umgebung. Einer Umgebung, in der Beschäftigte sich trauen, neue Ideen zu teilen, Fehler zu machen, daraus zu lernen und am Ende auch Emotion zuzulassen. Denn je mehr Gefühle zurückgehalten werden, desto schwieriger wird es, den Alltag und damit auch den Arbeitsalltag zu bewältigen. Es kostet Energie und verstärkt letztlich Unsicherheiten. Das tut am Ende weder dem Unternehmen noch den Beschäftigten, also uns selbst, gut. Beziehungsaufbau, eine gesunde Fehlerkultur, ein respektvolles und gutes Miteinander halte ich daher für Unternehmen für extrem wichtig.
Unternehmen können zum Beispiel eine offene Kommunikation und Kultur fördern. Ziel muss es sein, dass Beschäftigte sich wohlfühlen, über ihre Gefühle und Meinungen zu sprechen. Es muss insbesondere möglich sein, Erwartungshaltungen und Meinungen offen kommunizieren zu können. Sowohl aus Sicht des Unternehmens, der Führung aber eben auch aus Sicht jedes einzelnen Beschäftigten. Wenn alle genau wissen, was erwartet wird, reduziert das Unsicherheit und Stress und verbessert auch Ergebnisse. Daher finde ich es besonders wichtig eine Kultur, die auf Unterstützung und Respekt beruht, aufzubauen. Sie hilft dabei, das Gefühl der Isolation – gerade bei einer hohen Dezentralisierung – zu verringern und fördert das Teamgefühl.
Um es etwas praktischer zu machen: Am Ende können auch kleine Maßnahmen viel bewirken. Check-in-Fragen in Meetings zum Beispiel. Sie geben allen die Möglichkeit, einen Einblick in ihre Stimmung zu zeigen. Wir brauchen generell Meetings, in denen auch „schwierige“ Gespräche möglich sind und in denen Emotionen Raum bekommen. Wohl gemerkt es geht hier nicht darum, Emotionen aufzubauschen, sondern es geht weiterhin um eine lösungsorientierte und effiziente Vorgehensweise. Nur um die zu erreichen dürfen, eben Emotionen und Meinungen nicht unterdrückt werden.
Vielleicht noch eine Ergänzung: Auch mit Blick auf die zunehmende Arbeit in Homeoffice und Co. in vielen Unternehmen brauchen wir auch Gespräche, in denen nicht mal eben in den ersten 2 Minuten gefragt wird, wie es dem Gegenüber geht, um dann schnell auf das eigentliche Thema zu kommen. Bei all den Terminen und E‑Mails vergessen wir zu oft, wie viel echter Austausch mit der Dezentralisierung verloren gegangen ist. Das ist für ein gesundes Miteinander und eine Bindung oftmals zu wenig. Eine Vertrauenskultur kann sich nur entwickeln, wenn wir uns wieder mehr Zeit füreinander nehmen und wirklich zuhören. Nicht umsonst haben aktuell diskutierte Führungsthemen oft mit emotionaler Kompetenz zu tun.
Zunächst möchte ich sagen, dass die Möglichkeit von überall zu arbeiten natürlich viele Vorteile mit sich bringen kann. Wir sind flexibler, können Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren, Zufriedenheit, Produktivität und Wohlbefinden können steigen… Wenn es richtig angegangen wird.
Denn ja, es gibt auch Herausforderungen, denen wir begegnen müssen.
Den fehlenden Austausch habe ich bereits erwähnt. Spontane Gespräche, die vor Ort üblich sind, haben einen großen Einfluss auf das Miteinander und auch auf die gefühlte Bindung zum Arbeitsplatz und zum Unternehmen. Wenn sie wegfallen, sinkt die Qualität unserer Beziehungen und bei so manchem kann sich das Gefühl der Einsamkeit verstärken. Und nicht zuletzt wirkt sich das auf das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen aus.
Wie kann man im BGM auf diese Herausforderungen reagieren?
Wichtig ist es, die Situation der Beschäftigten und des Unternehmens zu kennen und zu verstehen, welchen Rahmenbedingungen BGM-Maßnahmen entsprechen müssen. Daher muss – wie im BGM üblich – zu Beginn eine ordentliche Bestandsaufnahme und eine systematische Analyse erfolgen. Es bedarf aber auch einer Strategie und Zielbestimmung. Das Unternehmen muss sich unter Beteiligung des Managements klar positionieren und die Ziele definieren. Erst auf Basis dieser Strategie und Zielbestimmung sowie der systematischen Analyse sollte eine Maßnahmenplanung erfolgen.
Entscheidend sind für mich noch die Aspekte Kommunikation und Führung. Die Kommunikation sollte transparent, offen und authentisch sein. Auch in Bezug auf die Ziele und die Strategie.
Und in Bezug auf die Führung sollte berücksichtigt werden, dass diese im gewissen Maße eine Vorbildfunktion haben. Daher ist auch hier ein Commitment aber auch eine systematische Qualifikation beispielsweise in Bezug auf gesunde Führung oder je nachdem Themen wie Führung auf Distanz oder die vorhin schon angesprochene praktische Umsetzung einer angemessenen Fehlerkultur entscheidend.
Es bleibt aber letztlich eine andauernde Aufgabe für Unternehmen, Lösungen zu finden und anzupassen, um die Gesundheit ihrer Beschäftigten in dieser neuen Arbeitsrealität zu fördern.
(lacht) Natürlich das beste Angebot ever!
Nein, ich verzichte jetzt auf den ganz großen Werbeblock, aber ich denke, dass die Mental Health Week sowohl für Unternehmen geeignet ist, die bei dieser Thematik noch am Anfang stehen, als auch Unternehmen, die dies bereits intensiv aufgreifen.
Durch ganz vielfältige aktuelle Themen kann sich jede:r was mitnehmen, um die eigene mentale Gesundheit zu stärken. Und da es sich um eine digitale Veranstaltung handelt, bieten wir eine gute Möglichkeit alle Beschäftigten zu erreichen.
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Die enorme Bedeutung mentaler Gesundheit hat uns dazu veranlasst dem Thema im Oktober eine ganze Woche zu widmen. Ein vielfältiges Live-Programm bestehend aus Vorträgen, Mitmachangeboten und Impulsen unterstützt dabei Herausforderungen zu begegnen und die mentale Gesundheit zu stärken.